Der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert, bis Mai 2017 Vorsitzender in der FIFA-Ethikkommission, kann die Änderungen am Ethikcode des Fußall-Weltverbands nicht nachvollziehen. "Diese Veränderungen tragen mit Sicherheit die Handschrift des Präsidenten (Gianni Infantino, d. Red.) und von dessen Beratern", sagte Eckert dem SID am Freitag: "Wir hatten auch Überlegungen, in Teilbereichen Änderungen vorzunehmen. Aber bestimmt nicht dahingehend, dass man bestraft wird, wenn man Kritik an der FIFA äußert." Jetzt Fußballreise buchen!

Der neue Paragraph 22.2, der "öffentliche verleumderische Aussagen" über die FIFA untersagt, bedeute "nichts anderes, als dass man keine Kritik mehr haben will", sagte Eckert, der als Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer zusammen mit Chefermittler Cornel Borbely von Infantino geschasst worden war: "Dabei lebt jeder Verband genau davon."

Dass in der deutschen, englischen und spanischen Version zudem das Wort "Korruption" nicht mehr vorkommt, "kann man sehen, wie man will", sagte Eckert: "Vielleicht so, dass die FIFA denkt, dass es keine Korruption mehr gibt. Das wäre ein Witz. Auch wenn man juristisch so argumentieren kann, dass der Straftatbestand der Bestechung weiter im Code steht."

Auch die Verankerung von Verjährungsfristen sei ein Rückschritt. "Wir haben bei unserer Arbeit festgestellt, das viele Dinge weit zurückliegen und auch eine nachträgliche Aufarbeitung wichtig ist", sagte Eckert. Die Verfolgung wegen Bestechung, Veruntreuung und Spielmanipulation verjährt laut Ethikcode ab sofort nach zehn bzw. bei Verfahrenseröffnung nach 15 Jahren.

Die Arbeit der neuen Ethikchefs sei schwer zu beurteilen. "Man muss den neuen Leuten die Zeit geben, sich einzuarbeiten", sagte Eckert: "Cornel Borbely hat aber einige Verfahren sehr weit untersucht und an seine Nachfolgerin weitergegeben. Nach einem Jahr und drei Monaten kann man erwarten, dass da mehr kommt. Die Frage ist, ob die Kommission nicht mit der gleichen Intensität untersuchen will - oder kann."

Die neue Chefermittlerin Maria Claudia Rojas (Kolumbien) hält sich seit Monaten bedeckt, die FIFA verweigert jegliche Interviewanfragen. "Frau Rojas hat bereits an ihrem ersten Tag gesagt, sie wolle den Ethikcode ändern - da war ich mir schon nicht sicher, ob sie ihn überhaupt gelesen hat", sagte Eckert, der die Entwicklung beim Weltverband bedauert: "Es ist schade, weil man gesehen hat, wie ein großer Sportverband beginnt, sich von innen heraus zu reformieren. Das wurde dann wie mit der Axt gestoppt."

 

SID