Kommt der Fußball nun endlich wieder nach Hause? Ist er nicht schon längst da? Oder war er sogar niemals weg? Der Rausch des englischen Siegeszuges bei der Weltmeisterschaft in Russland hat jedenfalls längst die Insel erfasst. Kein Ort ist mehr sicher, nicht das beschauliche Wimbledon, nicht das dröhnende Silverstone - und schon gar nicht das Ikea-Möbelhaus in London. Szenen aus dem Mutterland des Fußballs: Jetzt Fußballreise buchen!

Dass Engländer für ihr Leben gerne singen, ist weltweit bekannt. Besoffen im Pub, andächtig zu Weihnachten oder ergriffen im Stadion. Schon erstaunlich, wie melodisch es dabei zugeht, gegrölt wird selten - auch nicht von den 40.000 Formel-1-Fans, die in Silverstone gemeinsam den Refrain "Football's Coming Home" des Evergreens "Three Lions" zum Besten gaben.

Die Hymne, einst von den Lightning Seeds, David Baddiel und Frank Skinner für die Heim-WM 1996 geschrieben, ist in diesen Tagen allgegenwärtig. Ein einsamer Pianist spielte den Song am Samstag nach dem Einzug ins WM-Halbfinale auf der Orgel in der menschenleeren Royal Albert Hall. Gänsehaut!

Gesungen wird in Wimbledon nicht, schon bei übermäßigem Applaus ermahnt der Schiedsrichter mit strenger Stimme: "Quiet please!" Wie sollten die Tennisfans da ihre Leidenschaft für die Three Lions ausleben, zumal das Spiel gegen Schweden auf der altehrwürdigen Anlage im Londoner Südwesten nicht übertragen wurde? Die Lösung konnte Angelique Kerber nicht gefallen.

Die deutsche Nummer eins musste sich auf dem riesigen Centre Court fast so einsam fühlen wie der Pianist in der sechs Meilen entfernten Royal Albert Hall. Kaum jemand interessierte sich für sie, die wenigen Zuschauern schauten nebenbei auf ihren Smartphones Fußball und jubelten lautstark auf, als England das 2:0 erzielte. Zum Glück wechselten Kerber und Naomi Osaka da gerade die Seiten.

Immerhin einer - und das ist durchaus bemerkenswert - besaß den Anstand, dem Match der beiden Damen aus Deutschland und Japan die verdiente Aufmerksamkeit zu schenken. Sir Bobby Charlton, die englische Fußballlegende schlechthin, schenkte sich große Teile der Partie seiner Nachfolger in Russland. Der All England Club hatte ihn eingeladen, da kann das ganze Land durchdrehen: Der Weltmeister von 1966 schaut Rasentennis.

Ein paar Autominuten weiter, in einem ganz anderen London, vergaßen einige Engländer derweil ihre Manieren. Im schwedischen Möbelhaus Ikea hüpften sie auf den ausgestellten Betten herum, warfen mit Kissen umher - und grölten, ja diese Engländer grölten wirklich "it's coming home, it's coming, Football's coming home". Die Angestellten fanden das weniger lustig als die angetrunkenen Fans. Und was sagt wohl die Queen zu ihren unkontrollierten Untertanen?

Das ist nicht überliefert, anders als die Glückwünsche ihres Enkels und möglichen Thronfolgers, Prinz William, in Personalunion auch Präsident des englischen Fußballverbands FA. "Ihr wolltet Geschichte schreiben, und ihr habt es bereits getan. Ihr spielt eine unglaubliche WM, und wir genießen jede Minute", schrieb er bei Twitter und schloss - wie kann es in diesen Tagen auf der Insel anders sein - mit den Worten: "Football's Coming Home!"

Premier League Liveticker

SID