"Zum Abschied fordere ich Gerd Müller"

Mit Nina Aigner hängt eine der erfolgreichsten Fußballerinnen Österreichs nach einer eindrucksvollen Karriere die Schuhe an den Nagel. Helmut Pichler führte mit der nunmehrigen Ex-Torjägerin des FC Bayern München ein ausführliches Gespräch.

Nina, welches Resümee ziehst Du nach beinahe zehn Jahren im Frauenfußball in Deutschland, sportlich, menschlich, finanziell?
Nina Aigner: "Ich hatte zehn tolle und aufregende Jahre mit vielen „ ups  and  downs“, auf die ich gerne zurückblicke. Nicht nur auf den Sport an sich,  mit all den Erfolgen und Niederlagen, sondern vor allem auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, die ich in diesen Jahren erfahren durfte. Auch finanziell muss ich mir im Moment keine Sorgen machen, da ich mir neben dem Fußball ein zweites Standbein erarbeitet und aufgebaut habe. Das lässt mich sehr positiv in die Zukunft blicken."

In welche Richtung wird sich Deiner Meinung nach der Frauenfußball in Deutschland entwickeln?
Nina Aigner: "Der Frauenfußball  hat sich in den letzten Jahren in seiner Entwicklung enorm an Stellenwert gewonnen. Grund dafür war natürlich hier in Deutschland der Erfolg der  Nationalmannschaft. Dem Frauenfußball in Deutschland winkt  mit der WM 2011 im eigenen Land eine große Chance, dennoch muss die Nachhaltigkeit abgewartet werden. Die große Frage wird sein, ob der Boom und die Begeisterung rund um die Nationalelf auf die Bundesliga transferiert werden kann. Sollte dies nicht gelingen, wird sich an der Stellung des Frauenfußballs nicht viel ändern."

Werden die finanziellen Möglichkeiten noch mehr Rolle spielen, wenn ich an folgendes Beispiel denke: Arsenal-Legionär Niklas Bendtner kassiert für eine Woche in der englischen Premier League € 60.000 Fixum. Ich vermute,  eine Spitzenfußballerin der deutsche Bundesliga  wäre  mit einem Jahresgehalt  in dieser Höhe hochzufrieden? Anders gefragt, siehst Du in absehbarer Zeit Möglichkeiten, die übergroße Spanne  zwischen Verdienstmöglichkeiten im Frauensport und Männersport zu verringern?
Nina Aigner: "Ich denke, es sollte nicht das Ziel sein die Spanne zwischen Frauen und Männern zu verringern, sondern eine Basis zu schaffen, dass Frauen ihren Sport optimal ausüben können. Nach zehn Jahren der Doppelbelastung weiß ich, wie schwer es ist, Job und Sport unter einen Hut zu bekommen. Als Frau in einer Randsportart bist du aber  im Moment einfach dazu gezwungen, dir ein zweites Standbein aufzubauen, um auch für die Zukunft abgesichert zu sein. Ich denke, da sollte der Hebel angesetzt werden."

Deine persönlichen Erfolge können sich wirklich sehen lassen. 2009 deutsche Vizemeisterin  mit dem FC Bayern München, WM-Cupsiegerin 2003, beste Fußballerin 2007 vor Weltfußballerin Birgit Prinz……
Nina Aigner: "Erfolge sind subjektiv. Ich messe meine Erfolge eher nicht mit den Titeln, die man sammelt, sondern mehr mit der Erreichung meiner persönlichen Ziele, die ich mir immer wieder neu gesteckt habe."

Ein wenig Zahlenspiel muss trotzdem sein. In 176 Meisterschaftsspielen der deutschen Bundesliga hast Du im Dress der „Roten“  107 Tore erzielt, dazu 28 Tore in 18 Partien. Hinter Nationalstürmerin Inka Grings wurdest Du 2003 mit 17 Treffern Vize-Torschützenkönigin in der Bundesliga.  Wenn meine Rechnung stimmt, gelangen Dir in allen 241 Spielen (Meisterschaft, Cup, Test-und Freundschaftsspielen) für die Isarelf 221 Volltreffer, dazu 74 Meisterschaftstore in Österreich (Peterskirchen, Union Kleinmünchen und USC Landhaus). In der Saison 1999/2000 warst Du zusätzlich im Dress des USC Landhaus mit 27 Toren aus  14 Spielen  Torschützenkönigin. Hast Du jemals selbst Buch geführt über Deine Treffer?
Nina Aigner: "Absolut nicht, ich wusste nur, dass es etwas mehr als 100 Meisterschaftstore in der deutschen Bundesliga sind. Hm, wenn ich das so höre, fühlt sich das ganz gut an, aber immerhin war es ja auch mein Job, Tore zu schießen! Leider war es in der Saison 2008/09 um ein Tor zu wenig, um Meister zu werden. Schön, dass  ich jetzt wenigstens schon wieder darüber lachen kann…"

Mit welchen Verletzungen hast Du Dir diese Erfolge erkämpft?
Nina Aigner: "Jaja, ein leidiges Thema, meine Verletzungen. Ich glaube, da reicht der Platz gar nicht aus, um  alle aufzulisten. Und so blöd es vielleicht klingt, aber jede Verletzung hatte auch was Positives, da ich aus jeder Verletzung etwas gelernt habe. Ich musste mich oft zurückkämpfen, gerade dieser Kampfgeist und die daraus gesammelte Erfahrung helfen mir auch außerhalb des Sports."

Gibt es Ereignisse, die Dich auch heute noch ärgern?
Nina Aigner: "Ärgern ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck, aber natürlich ist mir die verlorene Meisterschaft 2009 im letzten Spiel gegen Crailsheim noch präsent. Leider haben wir damals um ein einziges Tor die Meisterschaft verspielt. Das tut auch heute noch manchmal ein wenig weh."

Wo siehst Du in einigen Jahren die junge Frauenelf des FC Bayern München und die jungen Ösis?
Nina Aigner: "Ich denke, die letzten Spiele haben gezeigt, welches Potential in dieser jungen Mannschaft steckt. Und wenn sie in den nächsten Jahren so zusammenbleiben, ist der Meistertitel bestimmt ein realistisches Ziel. Carina Wenninger , Viki Schnaderbeck und Sarah Puntigam  haben sich speziell in dieser Saison sehr weiterentwickelt und sich in die erste Mannschaft gespielt. Die drei arbeiten sehr professionell und sind charakterlich tolle Mädels, sie haben  mit Sicherheit eine erfolgreiche Zeit vor sich."

Ein oberösterreichischer Journalist schrieb 2009: „Die Antiesenhofenerin  hat dem  Frauenfußball ein Gesicht gegeben und damit mediale Aufmerksamkeit  in Österreich…… Wer wird Deine Nachfolgerin in den Medien?
Nina Aigner: "Mit dem vorhin genannten Trio - Viki, Carina und Sarah - bieten sich bereits perfekte Nachfolgerinnen an."

Feiert Österreichs Rekordinternationale und Ex-ÖFB- Kapitänin Sonja Spieler mit Dir gemeinsam den Abschied von Bayern München?
Nina Aigner: "Ja, Sonja wird genau wie ich nach dieser Saison ihre Karriere beenden.  Wir werden das natürlich gebührend feiern."

Österreich hat vor kurzem die erste österreichweite Frauenfußball-Akademie in St. Pölten mit einem Bundesoberstufen-Realgymnasium und einer Bundeshandelsschule für junge Fußballerinnen erhalten; ein richtiger Schritt Deiner Meinung nach?
Nina Aigner: "Soweit ich das beurteilen kann, mangelte es in Österreich nicht an Talenten, sondern an der Talenteförderung. Mit der Einführung dieser Akademie kann diese Lücke endlich geschlossen werden. Neben einer schulischen Ausbildung werden optimale Trainingsbedingungen geboten und dieser gelegte Grundstein wird sich mit Sicherheit in einigen Jahren bezahlt machen."

Mit Deiner großen Erfahrung könntest Du im österreichischen Frauenfußball viel bewegen, würde Dich eine Tätigkeit als Funktionärin nicht reizen?
Nina Aigner: "Klar, vorstellen kann ich mir das bestimmt, aber jetzt brauche ich erstmals etwas Abstand vom Frauenfußball und lege meine volle Konzentration in meinen jetzigen Job."

Am kommenden Montag wird die Auslosung für die EM-Qualifikation vorgenommen, was wünscht Du der ÖFB-Auswahl außer viel Glück ?
Nina Aigner: "Ich wünsche dem Team vor allem attraktive Gegner, denn es ist etwas besonderes,  mit der Nationalmannschaft gegen große Nationen wie England, Frankreich oder Deutschland zu spielen. Auch wenn das nicht gerade lösbare Aufgaben sind, so ist es doch für junge Spielerinnen ein besonderes Erlebnis und eine Herausforderung an der sie wachsen können."

Provokant gefragt: Wie nützt Du in Zukunft die viele Zeit, die Dir jetzt nach Deiner Fußballerinnenkarriere zur Verfügung steht?
Nina Aigner: "Eine gute Frage,  die mir schon mehrere Leute gestellt haben. Ich freue mich im Moment einfach nur darauf, mehr Zeit für mich zu haben. Dass ich nicht ganz ohne Sport leben  kann, liegt auf der Hand. Also drei Tage in der Woche werde ich bestimmt mit Sport verbringen, aber mit Freizeitsport…"

Wirst Du die Frauenfußball WM in Deutschland live mitverfolgen?
Nina Aigner: "Live eher nicht, aber ich werde mir bestimmt einige Spiele im Fernsehen anschauen."

Traust Du der deutschen Nationalelf den dritten WM-Titel in Folge zu ?
Nina Aigner: "Ganz klar, die deutsche Mannschaft geht immer als Favorit  in ein solches Turnier. Sie haben herausragende Spielerinnen, eine enorme Siegermentalität und die Zuschauer im Rücken. Also wer sollte diese Mannschaft bezwingen?"

Kehrst Du als ehemalige Junioren WM-Dritte im Teambewerb (1995 Düsseldorf) als Tennis-Trainerin zu Deinem ursprünglichen Lieblingssport zurück?
Nina Aigner: "Ja, Tennis wird jetzt sicher wieder mehr in mein Leben zurückkehren. Irgendwann werde ich auch den Trainerschein nachholen, aber erstmal möchte ich Tennis als  Freizeitsport genießen. Mit Gerd Müller habe ich ja schon ein freundschaftliches Match vereinbart."

Danke für das ausführliche Gespräch, viel Glück für die Zukunft und auch für die jahrelange exzellente Zusammenarbeit möchte ich mich ganz herzlich bedanken.


Dr. Helmut Pichler

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