Kritische Gedanken zum "Sommer-Märchen"

Nach der EM-Vorrunde hat sich das ÖFB-Frauenteam, nach Punkten und Toren gerechnet, bisher als das drittbestes Team der Titelkämpfe erwiesen. Nur England und die Niederlande haben mehr Punkte (9) erreicht, Österrreich hat mit 5:1 gegenüber 4:1 sogar Deutschland im Score überholt bei jeweils sieben Zählern. Eine nie zu erwartende Erfolgsserie, die jeden Frauenfußballfan und jene, die es noch werden wollen, begeistert. Nur sei zu diesem aktuellen Hoch angemerkt: Auch wenn es manche ÖFB-Offizielle, sonstige „Experten“ und Besserwisser in diesen Tagen noch so oft betonen, der grandiose Erfolg des Frauen-Nationalteams ist (derzeit) noch nicht auf das Wirken des Nationalen Zentrums für Frauenfußball in St. Pölten zurückzuführen.

 

Von der Standardelf bei der EM sind Katharina Schiechtl, Carina Wenninger, Verena Aschauer, Viktoria Schnaderbeck, Virginia Kirchberger, Laura Feiersinger, Sarah Zadrazil, Sarah Puntigam, Lisa Makas, Nina Burger, Nadine Prohaska, Jasmin Pfeiler, Jasmin Eder und Stefanie Enzinger nicht in der niederösterreichischen Talenteschmiede ausgebildet worden. Aktuell prägen aber diese arrivierten Könnerinnen aus der Deutschen Bundesliga dieses Erfolgsteam, das hoffentlich noch lange in dieser Zusammensetzung spielen kann und keine gravierenden Verletzungen oder sonstige Ausfälle verkraften muss. Manuela Zinsberger und Nicole Billa sind über den Umweg deutsche Bundesliga ebenfalls zu Stützen gereift, was auch den Talenten Viktoria Pinther, Katharina Naschenweng, Carolin Grössinger, Sophie Maierhofer, Barbara Dunst, Marina Georgieva und Jennifer Klein natürlich von Herzen zu wünschen ist.

ÖFB-Frauenliga als Sprungbrett?

Es seien Zweifel angemeldet, ob die Absolventinnen der österreichischen Talenteschmiede bei weiterem Engagement in der ÖFB-Frauen-Bundesliga im Nationalteam einen ähnlichen Leistungsstandard erreichen können wie die Legionärinnen. Nadine Prohaska kann hier nicht als Gegenbeispiel dienen, denn auch die Wienerin hat Bayern München-Vergangenheit. Manuela Zinsberger, Nicole Billa haben den Weg vorgezeichnet, wie „frau“ erfolgreich sein könnte, aber ohne zusätzlichen Schliff in einer europäischen Topliga (Deutschland, eventuell auch der Nationalliga Schweiz) oder den USA erscheinen Erfolge wie derzeit nicht erreichbar.

Jugend ist vor Rückschlägen nicht gefeit

Gute Ansätze für die Zukunft gab es heuer mit dem Weltmeistertitel für die Auswahl des Nationalen Zentrums bei den Schulweltmeisterschaften in Prag, hier handelt es sich allerdings noch um einen Nachwuchs-Bewerb. Als Gegenbespiel dient das Abschneiden der ÖFB-U19-Auswahl bei der Endrunde 2016 in der Slowakei, als die Schützlinge von Teamchefin Irene Fuhrmann, zugegeben mit einigem Pech, nach drei Niederlagen mit nur einem erzielten Treffer durch Ivi Feric nur den letzten Platz belegten. Im Herbst 2016 scheiterte dann überraschend die„neue" U19 schon in der ersten Runde der nächsten EM-Qualifikation. Auch die ÖFB-U17-Auswahl musste heuer in der „Eliterunde“ der EM Lehrgeld bezahlen, weil sich die Konkurrenz aus der Schweiz, Slowenien und den gastgebenden Niederländerinnen als glücklicher im Spielverlauf erwies.

„Architekt“ Dominik Thalhammer, beispielhafter Teamgeist und Cleverness aus der Nachbar-Liga

Für mich persönlich ist der „spiritus rector“ des Höhenfluges der grandiose Teamchef Dominik Thalhammer, der mit seiner Vorbereitung in jeder Hinsicht mehr als Präzisionsarbeit geleistet und aus den Legionärinnen mit dem A-Team eine Einheit geformt hat, die hinsichtlich Teamgeist, Können, Einsatz und Bescheidenheit ihresgleichen sucht. Deshalb sei ihm jeder Erfolg mit diesem Team noch recht lange gegönnt, aber auch jedem nächsten Teamchef und jeder Teamchefin sei die erforderliche Zeit eingeräumt, um die Talente dementsprechend reifen zu lassen und nicht von den jungen Spielerinnen des Nationalen Zentrum für Frauenfußball auf Knopfdruck Wunderdinge zu erwarten. Und die Nachwuchshoffnungen sind gut beraten, noch eine internationale „Zusatzausbildung“ anzupeilen.

2013 und 2016 standen fünf „Elevinnen“ schon in einer EM-Endrunde

Unberücksichtigt blieb bisher das erstmalige Erreichen einer EM-Endrunde durch das U17-Frauenteam im November/Dezember 2013 in England, als das Team von Coach Dominik Thalhammer nach einem 0:0 gegen Portugal, einem unglücklichen 1:2 gegen England und einem 1:0-Sieg gegen Italien den ausgezeichneten fünften Endrang belegte. Damals wurde Caroline Grössinger zur „besten Torhüterin“ gewählt, vom aktuellen A-Kader waren damals auch noch Barbara Dunst, Katharina Naschenweng, Viktoria Pinther und Marina Georgieva im EM-Aufgebot.
Auch die erstmalige Teilnahme der weiblichen U19 im Vorjahr in der Slowakei ist trotz der Endrunden-Niederlagen als positiver Meilenstein hervorzuheben, weil die Schützlinge von Teamchefin Irene Fuhrmann 2016 in der "Eliterunde" (2. Runde) keinen geringeren als Veranstalter und Titelverteidiger Schweden, England und Belgien auf dem Weg in die Finalrunde hinter sich ließen. Das „Quintett“ aus der U17-EM 2013 war auch fixer Bestandteil dieses U19-Kaders.
Beide großartigen Erfolge in den Nachwuchs-Bewerben sind sehr wohl auf die exzellente Ausbildung im Nationalen Zentrum St. Pölten zurückzuführen und können als gutes Omen für die Zukunft gelten.


Dr. Helmut Pichler

Sichere dir bis zu 100€ als Freiwette und wette auf deine Lieblingssportarten.