Blau Weiße Vergangenheitsbewältigung


von Raphael Oberndorfinger

Vergangenheitsbewältigung im Konjunktiv

Was wäre gewesen, wenn Falco nicht just in jener schicksalhaften Sekunde um die Kurve gebraust wäre - mitten in den Tod? Was, wenn der kolumbianische Teamspieler Andres Escobar nicht ein spielentscheidendes Eigentor bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1994 geschossen hätte? Was, wenn Markus Rogan wirklich auf seinen Start beim 200 Meter-Lauf verzichtet hätte? Dann würde ein musikalisches Genie vielleicht noch immer die Trommelfelle zum Rocken bringen, wäre der südamerikanische Verteidiger wohl nicht so bekannt, aber immerhin noch am Leben, und Österreich würde möglicherweise nie einen Schwimm-Weltmeister stellen. Was auffällt: Zwischen dem entscheidenden Zeitpunkt in der Vergangenheit und dem Output in der Gegenwart liegt der Konjunktiv. Zu viel Konjunktiv. Im Nachhinein bleibt stets das Rätseln, was anders sein hätte können. 

Ein Gedanken-Puzzle, das wohl auch die Blau-Weiß-Familie in ihren Köpfen zusammensetzt. Schon am Tag der Verpflichtung von Erwin Spiegel äußersten einige ihren Unmut über den neuen Trainer. Der mit der Last des Erfolgsdrucks und einem nominell starken Team in die OÖ-Liga startete. Der Druck wurde zur Crux: Den hohen Ansprüchen, die sich der Klub setzte und auch setzen musste, wurden die Leistungen auf dem Platz oft nicht gerecht. Weshalb die kritischen Stimmen lauter wurden – bei Fans und Funktionären! Und ihren ersten Höhepunkt fanden, als nach der bitteren 2:3-Pleite in Mondsee in der letzten Herbstrunde ein Radiosender sogar schon die Entlassung Spiegels verkündete. Ein medialer Schnellschuss, der sich im November als falsch entpuppte, fünf Monate später aber Realität wurde. "Das eine oder andere hat nicht mehr gepasst", sagte Boss Schellmann. "Es hat seit meiner Ankunft im Vorstand Strömungen gegeben, die gegen mich gearbeitet haben", der nach dem 2:1-Sieg in Perg entlassene Trainer, der im Donaupark zwar nie eine Lobby – letztendlich aber auch den Kredit, der ihm von einigen wenigen noch gewährt worden war, zur Gänze verspielt hatte. 

Jetzt fühlen sich jene Kritiker bestätigt, die Taktik und Aufstellung angezweifelt und bereits im Winter mit ebenso großer Beharrlichkeit an Spiegels Stuhl gesägt hatten. Dabei muss auch die Klubführung schon im Winter indirekt einen Schuldigen für die nicht nach Wunsch verlaufene Herbstsaison gefunden haben. Weil stets betont worden war, dass der Kader stark genug wäre, um den Titel in dieser Liga zu holen. Hätten Schellmann & Co das Problem am Spielersektor geortet, wäre personell aufgerüstet worden. Was aber de facto nicht geschah. Weil mit Stöckler bloß ein Ersatz für Colic und mit Seo ein aufgrund der Legionärsbeschränkung medienwirksamer Tribünenhocker verpflichtet wurde. Nach fünf Frühjahrsrunden ist der Rückstand auf die Tabellenspitze nicht kleiner, sondern sogar noch größer geworden. Ob jetzt alles besser wäre, hätte Spiegel die Schonfrist nicht bekommen? Die Kritiker werden sagen: Ja! Für meinen Geschmack basiert diese hypothetische Vergangenheitsbewältigung aber einfach zu viel auf dem Konjunktiv . . .


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