16 Punkte nach neun Runden, Tabellenplatz vier in der 2. Liga. Der Saisonstart des FC Blau-Weiß Linz kann sich sehen lassen. Geht es nach den zuletzt gezeigten Leistungen, dann wird man die Blau-Weißen aus der Stahlstadt auf jene Liste schreiben müssen, welche die potentiellen Kandidaten für den Aufstieg in die Tipico Bundesliga umfasst. 

"Ich hätte uns sogar weiter oben eingeschätzt"

Einen beträchtlichen Anteil am aktuellen Erfolgslauf des FC Blau-Weiß Linz hat u.a. Turgay Gemicibasi. Der 24-Jährige steuerte in bisher neun Meisterschaftsspielen drei Tore und vier Vorlagen bei. Als Überraschung möchte der defensive Mittelfeldspieler den bisherigen Saisonverlauf aber nicht titulieren: „Für die Außenstehenden mag das überraschend sein, aber wenn du jeden Tag mit der Mannschaft trainierst, dann sieht man einfach, dass wir eine enorme Qualität haben. Wir sind eine sehr junge, hungrige Mannschaft und ein richtiges Team. Man konnte schon in der Vorbereitung sehen, dass da etwas zusammenwächst. Für mich ist es auch nicht erstaunlich, dass wir auf Platz vier sind. Ich hätte uns sogar weiter oben eingeschätzt, weil wir Punkte leichtfertig liegen haben lassen (etwa gegen Dornbirn oder GAK). Natürlich sind wir zufrieden mit dem aktuellen Tabellenplatz, aber meiner Meinung nach, könnten wir noch ein oder zwei Plätze weiter oben stehen“, sagt Gemicibasi im Exklusiv-Interview mit Ligaportal.at

Das könnte am Ende der Saison, sofern der FC Liefering den ersten Platz halten sollte, bereits zum Aufstieg reichen, da die Jungbullen kein Interesse haben, an der höchsten Spielklasse teilzunehmen. „Das Mannschaftsziel ist, dass wir nichts mit dem Abstieg zu tun haben möchten und als Mannschaft wachsen“, sagt Gemicibasi auf die Frage, ob man nun den Aufstieg in die höchste Spielklasse anpeilt. Persönlich steckt sich der 24-Jährige aber ein anderes Ziel: „Die persönlichen Ziele sind klar: Man strebt immer nach dem Höchsten. Ich spiele ja nicht Fußball, um gegen den Abstieg zu spielen. Wir haben im Verein oder in der Mannschaft bis jetzt noch nicht thematisiert, was wäre, wenn wir Erster oder Zweiter werden sollten. Ich denke, das ist meine persönliche Meinung, wenn wir die Chance hätten, würde der Verein das in Angriff nehmen“, sagt der in Riesa (Deutschland) geborene Gemicibasi selbstbewusst. 

„Man sieht, dass wir eine Mannschaft sind"

Der Deutsch-Türke sieht auch einen weiteren Faktor, der den Linzern in die Karten spielen könnte: „Bei uns haben in den letzten Spielen viele Stammspieler gefehlt. Man hat gegen Rapid II gesehen, dass man das nicht so leicht kompensieren kann. Wir haben einen kleinen, aber sehr feinen Kader. Jetzt sind alle wieder im Training dabei und ich glaube, wenn wir alle fit sind, dann wird sich jede Mannschaft sehr, sehr schwertun gegen uns“, ist er überzeugt. Der 1,80 Meter große Mittelfeldspieler lobt auch den Zusammenhalt im Team sowie Topscorer Fabian Schubert, der nach neun Ligaspielen bei unfassbaren elf Treffern hält: „Man sieht, dass wir eine Mannschaft sind. Jeder ist für den anderen da und wirft sich in die Zweikämpfe. Dann haben wir vorne den „Schubi“, der momentan alle Dinger reinknallt. Das macht es auch einfach gegenüber dem letzten Jahr, wo wir Probleme mit der Chancenauswertung hatten. Wir können froh sein, so einen Stürmer vorne drinnen zu haben.“

Ein Lob hat er auch für Trainer Ronald Brunmayr parat: „Wir hatten eine Woche vor dem Auswärtsspiel gegen Wacker Innsbruck ein Testspiel gegen die Young Violets. In diesem Spiel haben wir erstmals mit einer Fünferkette gespielt, weil der Trainer gesagt hat, dass Wacker Innsbruck damit Probleme haben wird. Er hat uns also perfekt eingestellt und wir haben dort dann 4:0 gewonnen. Er stellt uns immer sehr gut auf die Gegner ein und arbeitet sehr akribisch.“

Für Turgay Gemicibasi läuft es nach Wunsch: "Ich möchte da auch weiter dran anknüpfen"

Doch auch Turgay Gemicibasi hat mit drei Toren und vier Assists einen großen Anteil am aktuellen Erfolgslauf der Linzer. In dieser Saison hat der 24-Jährige eine gewaltige Leistungssteigerung hingelegt: „Viel Anteil daran hat auch mein Personal-Coach Christian Mohr, weil ich mit ihm zusammen sehr hart gearbeitet habe. Ich arbeite vor allem nach dem Training immer an meinen Standards, weil das einfach eine Waffe sein kann. Wir haben mit Fabio Strauss einen großgewachsenen Spieler und auch Lukas Tursch hat ein gutes Kopfballspiel. Diese Waffen kann man sich im Training erarbeiten. Klar braucht man auch eine gewisse Qualität, aber mit harter Arbeit kann man das erreichen. Man sieht es etwa auch bei Peter Michorl vom LASK, der in einer Saison mehr als zehn Assists liefert. Ich möchte da auch weiter dran anknüpfen und am Ende sechs, sieben Tore und zehn bis zwölf Vorlagen stehen haben.“ 

Sollte Turgay Gemicibasi am Ende dieser Saison tatsächlich eine derartige Bilanz vorweisen können, würden wohl einige Bundesliga-Klubs oder auch Verein aus dem Ausland anklopfen: „Ich persönlich möchte auf jeden Fall in die Bundesliga. Dort würde ich ab nächsten Sommer gerne spielen. Natürlich wären auch die 1. deutsche Bundesliga und 2. deutsche Bundesliga ganz große Ziele, die auch durchaus machbar wären, finde ich“, so Gemicibasi, der zuletzt auch von Verletzungen verschont blieb: „Ich bin während meiner Zeit in Linz wirklich nie verletzt gewesen und generell auch nicht anfällig für Verletzungen. Das liegt aber auch daran, weil ich viel für mich arbeite. Ich will ganz nach oben. Harte Arbeit und gute Ernährung - das ist extrem wichtig für mich. Das hat auch einen großen Anteil daran, dass es bei mir momentan so gut läuft. Ich habe es auch von neun Runden fünf Mal ins „Ligaportal Team der Runde“ geschafft. Das ist die Belohnung für meine harte Arbeit. Und das ist auch mein Lebensmotto: „Wenn man hart an sich arbeitet, dann kann man alles erreichen“. 

"Diese Bolzplatz-Mentalität hat mir sehr viel gegeben"

Begonnen hat die fußballerische Karriere von Turgay Gemicibasi in seiner Geburtsstadt Riesa beim SC Riesa. „Ich war damals vier oder fünf Jahre alt, da haben mich meine Mama und mein Papa zum Fußball gebracht. Seitdem war ich nur draußen und habe Fußball gespielt. Ich habe dann auch gerne gegen die Freunde meines älteren Bruders gespielt. Diese „Bolzplatz-Mentalität“ hat mir auch sehr viel gegeben. Ich bin mental sehr stark und auch ein schlechter Verlierer, ich konnte nicht verlieren. Ich möchte auch jedes Trainingsspiel gewinnen. Meine Gewinner-Mentalität hat mich sehr weit gebracht“, betont der 24-Jährige. 

"Profivertrag in Köln habe ich mir leider versaut"

Im Jahr 2008 folgte der Sprung in die Jugend von Dynamo Dresden, wo Gemicibasi vier Jahre lang spielte, ehe ein Angebot vom 1. FC Köln kam. Es war wohl die intensivste und lehrreichste Zeit in der bisherigen Karriere vom nunmehrigen Blau-Weiß-Linz-Kicker: „Dort bin ich hingewechselt, weil die auch das beste Nachwuchsleistungszentrum in ganz Deutschland hatten. Ich bin dort auf Anhieb zweiter Kapitän und Nationalspieler für die Türkei geworden. Dort hat man natürlich auch nicht schlecht verdient. Dann ist man als 16, 17-Jähriger aber weit weg von seinen Eltern und als junger Spieler denkt man dann, dass man schon jemand ist und nicht mehr viel machen muss. Ich war damals leider sehr dumm und habe viel Scheiße gebaut. Ich will das auch gar nicht weiter erläutern, weil diese Sache habe ich längst abgehakt. Aber das war auch der Grund, warum mein Vertrag in Köln damals aufgelöst wurde. Ich stand damals kurz vor einem Profivertrag, aber das habe ich mir leider versaut“, gesteht der 24-Jährige. Dabei habe man im früher gesagt, dass er es „auf jeden Fall in die Bundesliga schaffen“ werde.

Es folgte der Wechsel zurück in den Osten zu RB Leipzig, wo sich der damals 17-Jährige aber nicht wohl gefühlt hatte. Der Wechsel von West- nach Ostdeutschland hat ihm zu schaffen gemacht. „In Westdeutschland war es angenehmer, schöner und auch meine Freunde haben dort gelebt. Deshalb habe ich meinen Vertrag bei RB Leipzig aufgelöst und bin dann zu Kaiserslautern gewechselt. Ich habe den Abgang von Köln nicht gut verkraftet, konnte das als junger Mensch im Kopf nicht gut verarbeiten. Ich konnte dann nicht mehr richtig Fuß fassen und an meine Leistungen anknüpfen. Ich habe für die Nationalmannschaft und Europameisterschaft gespielt, es war alles top, aber ich war im Kopf leider nicht ganz klar.“

Mit dem Wechsel zu Mauerwerk kam die Wende

In Kaiserslautern kamen dann auch noch einige Verletzungen dazwischen (zwei Muskelfaserrisse), sodass Turgay Gemicibasi damals nicht viele Spiele absolvieren konnte: „Dann kam ich in ein Tief“, betont der nunmehr 24-Jährige. Es folgte ein „Tapetenwechsel“ und Engagements bei Viktoria Köln, Sportfreunde Siegen und dem FC Gütersloh, ehe sein damaliger Berater im Sommer 2017 den Kontakt zum FC Mauerwerk, einst Karabakh Wien, herstellte. Er kannte Volkan Kahraman, den damaligen Coach des Regionalligisten. „Ich habe dort trainiert und er war direkt begeistert von mir. Ich habe gemerkt, dass ich hier an meine Leistungen anknüpfen kann und habe bei Mauerwerk zwei gute Saisonen gespielt“, schildert Gemicibasi, der seinem Berater, seiner Freundin und seinen Eltern extrem dankbar ist und viel zu verdanken hat. 

Gemicibasi über Cup-Chancen und neues Stadion

Im Sommer 2019 kam der in Sachsen geborene Gemicibasi, der Länderspielpausen auch gerne für einen Heimataufenthalt nützt, zu Blau-Weiß Linz, für den er bis dato 38 Pflichtspiele absolvierte. Nummer 39 folgt am Samstag, 14. November, im Cup-Auswärtsspiel gegen SVG Reichenau (Nachtrag 2. Runde). „Wir wollen natürlich weiterkommen, weil wir auch eine große Chance sehen, im Cup weit zu kommen. Ich will aber nicht, dass wir am Samstag über 120 Minuten spielen müssen (lacht).“ Große Vorfreude herrscht beim 24-Jährige auch auf das neue Stadion, dessen Pläne zuletzt offiziell vorgestellt wurden: „Es sieht richtig schön aus. Die Fans, der Verein haben sich das einfach verdient. Ich spiele jetzt das zweite Jahr hier und ich merke, dass sich die Fans nach einem eigenen Stadion sehnen. Ich bin sehr froh, dass wir ein eigenes Stadion bekommen, wo wir dann sagen können, dass das unser zu Hause ist“, sagt Turgay Gemicibasi abschließend. 

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von Daniel Ringsmuth/Ligaportal, Fotos: Harald Dostal/fodo.media