Im Fußball werden gern Superlativen bemüht. Bei einem sind sie in dieser Saison bisher zutreffend: Matthias Jaissle. Der 33-jährige, smarte Schwabe übernahm im Sommer 2021 beim FC Red Bull Salzburg den Chefcoach-Posten vom zu RB Leipzig wechselnden Jesse Marsch (inzwischen Leeds United) und eilte mit dem österreichischen Serienmeister auf Anhieb von Erfolg zu Erfolg. Erstmaliger Einzug in ein Championsleague-Achtelfinale (eines ÖFB-Klubs überhaupt), nach 24 Runden souveräner Spitzenreiter der ADMIRAL Bundesliga bei 12 Punkten Vorsprung auf Sturm Graz und einen Schnitt von 2,54 Punkten!

 

In 24 Ligaspielen 19 Siege, vier Remis und eine Niederlage, die den jüngsten Liga-Chefcoach beim Team vom ältesten - Peter Pacult - in Klagenfurt ereilte. Nimmt man alle Wettbewerbe mit Liga, Championsleague (inkl. Quali) und ÖFB-Cup zusammen, feierte der gebürtige Nürtinger (Baden Württemberg) in 39 Pflicht-Partien in seiner ersten Saison beim FC Red Bull Salzburg stolze 29 Siege, bei sechs Remis und vier Niederlagen (drei davon in der Championsleague und allesamt auswärts...beim VfL Wolfsburg, OSC Lille und FC Bayern München). 

Mit Beginn der länderspielbedingten Bundesliga-Pause fand der stets bedacht und strukturiert auftretende "Bullen-Dompteur" Zeit, um beim PayTV-Sender Sky in der Montags-Sendung "Talk & Tore" Rede und Antwort zu stehen.

Matthias Jaissle (Trainer FC Red Bull Salzburg)...über...

...seine bisherige Trainer-Karriere: „Es war alles andere als selbstverständlich. Das letzte Jahr war extrem rasant. Die ganze Entwicklung in meiner Trainerkarriere ging steil nach oben. Von dem her waren die Erfolge, die wir bisher feiern konnten, sensationell. Das macht mich auch ein Stück weit stolz.“

...seine Strukturiertheit & Ordnung: „Ich habe das immer wieder von meinem Sportdirektor (Anm.: Christoph Freund) gehört, dass das eine deutsche Tugend ist. In meiner Kindheit wollte ich immer schon Struktur haben in meinem Leben. Ich wollte Dinge planen. Dass man das im Fußball nicht permanent kann, ist uns allen bewusst. Es gibt mir einfach den nötigen Halt.“

Beim VfB Stuttgart erlebt, für Traum Fußballprofi zu arbeiten

...seine jungen Jahre als Fußballer: „Es fiel dann die Entscheidung, den nächsten Schritt zu gehen. Von einem Dorfverein zu einem doch ambitionierten Nachwuchsklub. VfB Stuttgart war einer der besten Fußball Akademien in Deutschland zu der Zeit. Das war schon sehr cool. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln war ich innerhalb von eineinhalb Stunden dort. Dort habe ich auch zum ersten Mal erlebt, was es heißt, für den Traum Fußballprofi zu arbeiten.“

Thomas Tuchel (derzeit Chelsea London) als Trainer am Fußballinternat: „Er war tatsächlich beeindruckend zu der Zeit und mein U15 Trainer in Stuttgart. Er war einer der wenigen, der früh erkannte, dass ich ein Verteidiger werde. Man hat damals schon seine Fachkompetenz erahnen können.“

Wechsel zur TSG Hoffenheim: „Wir hatten damals eine Phase bei Stuttgart, wo relativ viele junge Talente den Sprung zum Profiteam gewagt haben und sich dort durchsetzen konnten. Von dem her gab es ein bisschen einen Stau, was die Karriere dort in Stuttgart anging. Daher war die Entscheidung zu Hoffenheim zu gehen, im Nachhinein die absolut richtige.“

Zeit bei TSG Hoffenheim: „Es war einzigartig, mit so einem doch Dorfverein, den Durchmarsch von der Dritten in die 1. Liga zu machen und in der 1. Liga in der Anfangsphase für Furore zu sorgen. Es war eine coole Geschichte. Ralf Rangnick war ein Hauptverantwortlicher für diesen enormen Weg, den Hoffenheim damals gegangen ist.“

Rangnick zeigte auf, "wo Reise hingehen könnte"

..Einfluss von Ralf Rangnick: „Er hat als Trainer eine Klarheit. Er weiß ganz genau, was er für einen Fußball spielen lassen möchte. Jeder Spieler auf dem Platz weiß ganz genau, was zu tun ist. Er hat mir mit jungen Jahren aufgezeigt, wo die Reise hingehen könnte. Er hat mir das mehr oder weniger prognostiziert, dass wir den Durchmarsch machen werden und, dass ich dann auch ein wichtiger Teil der Mannschaft sein kann. Das war für mich beachtlich, wie man so weit im Fußball voraussehen und vorausplanen kann. Er hat einfach die Gabe dafür.“

Verletzung als Spieler: „Das war extrem bitter. Natürlich auch, weil ich unmittelbar danach die EM verpasst habe, die sehr erfolgreich verlief. Noch schmerzhafter war, dass ich nicht mehr so richtig in Tritt gekommen bin. Es kamen Folgeverletzungen und das Schwierigste war, als das Karriereende zum ersten Mal im Raum stand.“

Verarbeitung der Verletzung: „Zu Beginn war es ein richtiger Tiefschlag. Da fällt man zunächst mal in ein Loch, das muss man gar nicht schönreden. Ich habe dann über Gespräche mit Familie und Freunde versucht, mir einen Weg zu malen, wo die Reise hingehen kann. Ich habe dann entschlossen, Studiengänge abzulegen, um einfach ein zweites Standbein aufzubauen. Das hat mir gutgetan, mal wieder weg vom Fußball zu kommen. Irgendwann war dann aber klar, dass ich was im Fußball machen möchte.“

…, dass er nicht zur WM mitfahren konnte als Spieler: „Ich bin ganz ehrlich, da habe ich viel nachgetrauert. Hätte-, Wenn- und Aber-Phasen waren da im Kopf. Mir war aber relativ schnell klar, dass es nichts bringt. Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen. Ich habe mir dann vorgenommen, das zu machen, was mir Spaß macht und da der Beste zu sein, der ich sein kann. Das wurde mir als Spieler wegen der Verletzung verwehrt. Es war auch aus dem Grund bitter, weil ich nie erfahren werde, bis wohin es denn gereicht hätte als Spieler. Jetzt schauen wir mal, für was es reicht als Trainer.“

Zeit in Leipzig: „Rangnick hat mir in Leipzig die Möglichkeit gegeben, zu hospitieren, eine Art Trainee Programm zu durchlaufen. Die erste Station war am Trainingsplatz. Da durfte ich als Co-Trainer mit reinschnuppern bei Sebastian Hoeneß (Anm.: aktuell Chefcoach TSG Hoffenheim). Das war so der Startschuss für die Trainerkarriere.“

Trainerposten: „Es ist einfach so komplex heutzutage. Das macht es auch aus. Es ist nicht mehr reines, mit der Mannschaft arbeiten, sondern es gehört ganz viel Drumherum dazu. Das hat sich in der letzten Zeit gewandelt. Es ist sehr spannend, aber auch herausfordernd. Aktuell macht es mir jede Menge Spaß.“

Salzburgs Chefcoach Matthias Jaissle und sein um drei Jahre älterer, "verlängerter Arm" auf dem Spielfeld: der 36-jährige Kapitän Andreas Ulmer.

Jaissle: "Man darf keine Rolle einnehmen als Trainer"

modernen Fußball: „Der Job als Fußballtrainer ist heute sehr komplex. Alles ist gefragt. Man braucht ein gutes Gespür für die Jungs. Man darf sich auch vor den technischen Hilfsmitteln nicht verschließen, das wird in Zukunft noch mehr zunehmen.“

Faktoren, die erfolgreichen Trainer ausmachen: „Sowie die Fachkompetenz brauchst du ein stückweit auch die soziale Kompetenz. Für mich ist es das Wichtigste und das habe ich auch meinen Spielern gesagt, dass man authentisch ist und sich selbst treu bleibt. Man darf keine Rolle einnehmen als Trainer, denn das merken die Jungs relativ schnell.“

…ob Erfahrung als Spieler ein Vorteil für das Trainerdasein ist: „Ich versuche immer eine ordentliche Portion Empathie mitzubringen und da haben mich meine Ereignisse als Spieler geprägt. Natürlich, wenn sich ein Spieler verletzt oder angeschlagen ist, dann spielt das eine Rolle. Die Karriere als Spieler hat mir viel mitgegeben.“

…sein Selbstvertrauen: „Ich glaube es ist schon wichtig, dass man Visionen und Ziele hat, um einen klaren Plan zu haben. Das Vertrauen in sich und in dieses Ziel ist extrem wichtig, um diesen Weg zu gehen.“

Zeit in Kopenhagen mit Alexander Zorniger: „Es war ein perfektes Sprungbrett für mich. Ich bin Alex für die Möglichkeit enorm dankbar. Er hat mir sehr viel beigebracht und sehr viel gezeigt. Gerade auf Profiniveau, wie man mit den Spielern umgeht. Wie man eine Mannschaft führt. Wie man Taktik übermittelt. Es war der perfekte Schritt, 2 Jahre lang an der Seite von Alexander sein zu dürfen. Das war Weltklasse und hat mich sicherlich geprägt.“

Jaissle: "Gibt keine konkreten Pläne"

das 1:7 in München: „Um ehrlich zu sein, schmerzt es immer noch. Das war einfach brutal. Das war ein echt bitterer Abend.“

Entscheidung Salzburg-Trainer zu werden: „Zweifel hatte ich nicht. Ich musste nicht lange überlegen. Ich bin extrem dankbar für das Vertrauen. Es ist ja nicht selbstverständlich, einen 33-Jährigen in so ein Amt zu hieven.“

…seine Grenzen als Trainer: „Außerhalb ist es mir wichtig, dass man schon auf gewisse Werte Acht gibt. Wenn die nicht gelebt werden, dann kann ich schon auch unangenehm werden. Dann werde ich auch mal lauter. Mir ist es wichtig, dass man hier klare Rahmen schafft. Auf dem Platz haben wir eine klare DNA, zu der wir stehen. Außerhalb des Platzes sind es die gewissen Werte, die den Rahmen vorgeben. Das sind banale Dinge, die mir aber extrem wichtig sind. Wenn der ein oder andere die nicht verfolgt oder sie nicht schätzt, dann kann es durchaus Probleme geben.“

Zukunftspläne: „Ich fühle mich super wohl hier. Was ich aus meiner Spielerkarriere gelernt habe ist, dass es nicht wirklich Sinn macht große Pläne zu schmieden. Vor allem, was die Karriere angeht. Ich habe natürlich Ziele, dass ich mich weiterentwickeln möchte als Trainer. Damals haben sie mir als Spieler einen schönen Weg vorgesagt, wohin die Reise gehen kann und dann gab es Facetten, die sowas nicht planbar machen. Deswegen gibt es von mir aus keine konkreten Pläne, was meine Karriere angeht. Ich versuche einfach das Bestmögliche aus der aktuellen Situation herauszuholen.“

Fotocredit: FC Salzburg via Getty