Der Abstiegskampf in der ADMIRAL Bundesliga war heuer besonders spannend. Demensprechend nervös waren viele Vereins-Verantwortliche. Und da wird nicht selten als letzte Maßnahme dann mal schnell ein Sportpsychologe oder Mentalcoach ins Boot geholt, der dem Team am Ende eine Portion Selbstvertrauen einimpfen soll. In seinem heutigen Beitrag möchte Mentalcoach Wolfgang Seidl, MBA, bewusst machen, wie sinnvoll das ist und warum die meisten Bundesliga-Klubs nicht präventiv und regelmäßig in die mentale Arbeit investieren?

Luca Meisl (r.) und Nene Dorgeles schafften mit der SV Guntamatic Ried gerade noch den Klassenerhalt. Der Traditionsklub aus dem Innviertel vollzog - wie der LASK - gleich drei Mal in einer Saison einen Trainerwechsel.

In den letzten Meisterschaftspartien waren Trainer und Spieler großem Druck ausgesetzt, es ging um Abstieg oder internationale Plätze. Dieser enorme Druck erzeugt Stress und aus der Neurowissenschaft wissen wir, unter Stress kommt es zu einer neuronalen Übererregung. Die Wahrnehmung verengt sich und erzeugt ein Gefühl von ausgeliefert sein. In diesem Modus nimmt die Fähigkeit, eine Situation angemessen zu bewerten und darauf zu reagieren ab.

Das wiederrum wirkt sich negativ auf die Konzentration, Kreativität und Leistungsfähigkeit der Spieler aus. Diesen Effekt konnte man in vielen Spielen gut beobachten. So beklagte zum Beispiel Andreas Herzog im letzten Spiel, dass sein Team in der ersten Halbzeit nicht präsent genug war und nach 30 Minuten keine entscheidenden Zweikämpfe gewonnen hat. Auch die über sieben Spiele andauernde Torflaute beim TSV Hartberg könnte eine mögliche Ursache dafür sein. Woran lag es? Die Ursache lag in den Köpfen der Spieler. So sagte bereits Andrea Pirlo, dass Fußball mit dem Kopf gespielt wird und die Füße nur das Werkzeug sind.

Vielen Teams fehlen die mentalen Fertigkeiten

Viele Teams sind auf herausfordernde Szenarien nicht vorbereitet und können unter Druck ihre Leistung nicht abrufen. Das ist ein klares Versäumnis, einerseits der Spieler selbst, sich diese notwendigen mentalen Fertigkeiten anzueignen. Aber es liegt auch in der Verantwortung der Vereine, ihre Spieler mental zu fördern. Im Fußball ist es die normalste Sache der Welt einen Athletiktrainer, einen Videoanalyse oder einen Physiotherapeuten zu beschäftigen, aber ein Experte für den Geist, ist bei den meisten Clubs nicht vorgesehen.

Auf die mentale Komponente wird erst dann gedacht, wenn es nicht läuft. Dann holt man schnell einen Sportpsychologen oder Mentalcoach als Problemlöser und schickt ihn nach getaner Arbeit danach wieder nach Hause. Kann dieser kurzfristig etwas bewirken? Ja, er kann zum Beispiel unterstützen, dass sich das Team wieder auf die eigenen Stärken besinnt und Vertrauen gewinnt. Er kann durch psychologische Maßnahmen Ruhe ins Team bringen und den Fokus der Spieler auf die wichtigsten Prozesse lenken. Auch Einzelgespräche mit Spielern sind wichtige Maßnahmen in dieser Akutphase.

Nachhaltigkeit durch Regelmäßigkeit

Um nachhaltige Veränderungen in den Denk- und Verhaltensmuster der Spieler zu erreichen, ist ein langfristiges Konzept, mit Einbindung psychologischer Trainingsmaßnahmen im Trainingsalltag notwendig. Ein guter Ansatzpunkt ist am Beginn primär die Arbeit mit den einzelnen Spielern. Wenn der Einzelne die entsprechenden mentalen Fertigkeiten beherrscht und sich seiner Rolle im Team bewusst ist, dann ist Teamstärke eine zwangsläufige Folge. Entsprechende Einheiten in Kleinegruppen sowie auch mit dem gesamten Team sind ebenso unerlässlich. Ziel der mentalen Arbeit ist es, das Bewusstsein und die Achtsamkeit der Spieler zu wecken, um auch in herausfordernden und schwierigen Situationen ihr Potential abrufen zu können.

Erfolgreiche Clubs, wie RB Salzburg haben frühzeitig erkannt, dass der Kopf die Steuereinheit ist und diese nachhaltig trainiert gehört. Daher haben sie schon seit Jahren einen Mentalcoach in ihren Reihen, der erfolgreiche Arbeit leistet.

Ich bin davon überzeugt, mentale Arbeit im Fußball sollte bereits dann beginnen, wenn es gut läuft, um Krisen präventiv zu vermeiden bzw. schwierige Situationen leichter zu meistern.

Wolfgang Seidl (Foto), ist selbstständiger akademischer Mentalcoach mit einer Praxis in der Steiermark und Wien. Er betreut als Coach Sportler, stressgeplagte Menschen, Teams und Unternehmen. Der Schwerpunkt seiner Arbeit im Fußball liegt einerseits in der mentalen, individuellen Betreuung von SpielerInnen, Trainern sowie in der Entwicklung und Beratung von Teams.

Praxis Steiermark: Burgauerstrasse 49; 8283 Bierbaum
Praxis Wien: Cumberlandstrasse 102; 1140 Wien

+43 650 415 5401
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.mana4you.at 
www.amschwalbenhof.at

Fotocredit: Harald Dostal/www.sport-bilder.at und Markus Steinacher