Das lange Warten der österreichischen Fußballfans hatte heute ein Ende: 22 Jahre, nachdem Rapid als bisher letzte österreichische Mannschaft in einem Europapokal-Halbfinale gestanden war, gastierte der FC Salzburg im Semifinal-Hinspiel der UEFA Europa League bei Olympique Marseille, das im ausverkauften Stade Velodrome die Oberhand behielt und einen 2:0-Heimsieg feierte. Die Bullen agierten in der ersten Halbzeit zu fehleranfällig und kassierten nach einer Standardsituation den ersten Gegentreffer (15.). Im zweiten Spielabschnitt war Salzburg besser, aber nicht effizient. Marseille hingegen schon: Der eingewechselte N´Jie markierte in der 63. Minute den 2:0-Endstand. In der Schlussphase hatte der eingewechselte Fredrik Gulbrandsen das Auswärtstor auf dem Fuß, traf allerdings nur die Stange (78.). Somit müssen die Bullen im Rückspiel in einer Woche in der Red-Bull-Arena wie schon gegen Lazio Rom eine Aufholjagd starten, um das Finale in Lyon doch noch zu erreichen. 

 

Hee-Chan Hwang und Co waren heute nicht effizient und müssen wie schon gegen Lazio einen Zwei-Tore-Rückstand aufholen. 

Marco Rose überrascht und bringt Hannes Wolf von Beginn an – Xaver Schlager nur auf der Bank 

Marco Rose überraschte mit seiner Startelf und ließ den zuletzt bärenstarken Xaver Schlager vorerst nur auf der Bank. An seiner Stelle rotierte Hannes Wolf in die Startelf, der heute als „Zehner“ hinter den beiden Spitzen Hwang und Dabbur agierte. Ansonsten nahm Rose im Vergleich zum Viertelfinal-Rückspiel gegen Lazio eine weitere Änderung vor. Der gegen die Römer gelbgesperrte Samassekou kehrte in die Anfangsformation der Bullen zurück und verdrängte Reinhold Yabo auf die Ersatzbank. 

Salzburg findet gegen die extrem defensiv eingestellten Franzosen kein Durchkommen – Standardsituation bringt Marseille in Front

Die heißblütigen Fans von Olympique Marseille stimmten bereits etliche Minuten vor Anpfiff Fangesänge an und verwandelten das Stade Velodrome in einen Hexenkessel. Nach Spielbeginn wurde jeder Ballkontakt der Gastgeber frenetisch bejubelt und die Gäste gellend ausgepfiffen. Salzburg zeigte sich jedoch relativ unbeeindruckt und überstand die Anfangsphase ohne Probleme. Torchancen gab es in der Anfangsphase auf beiden Seiten vorerst keine zu vermelden. Die Gäste agierten allerdings einen Tick zu aggressiv und ermöglichten den Hausherren durch unnötige Fouls gleich drei gute Freistoßmöglichkeiten. Und die dritte sollte die Franzosen in Führung bringen: Walke segelte an einer Payet-Hereingabe vorbei, Florian Thauvin stand goldrichtig an der zweiten Stange und beförderte das Spielgerät per Kopf und Hand zum 1:0 ins Tor (15.). In den folgenden Minuten setzte sich Marseille in der Hälfte der Bullen fest und drängte auf das schnelle 2:0, doch sowohl Sarr (16.), als auch Sanson setzten das Leder am Tor vorbei (19.).

Mit Fortdauer der ersten Halbzeit fanden die Bullen aber immer besser ins Spiel und trauten sich auch mehr zu. Stefan Lainer tankte sich mit einem Energieanfall von rechts ins Zentrum, wo er einfach mal abzog. Doch Marseilles Schlussmann Pele, der heute den verletzten Stammkeeper Mandanda vertrat, war wachsam und sicherte den Ball im Nachfassen (30.). Nach dieser kurzen Drangperiode der Mozartstädter hatten die Gastgeber das Spiel wieder im Griff und waren optisch überlegen. Zudem unterliefen den Bullen überraschend viele technische Fehler, welche die Franzosen zum Kontern einluden. Marseille zeigte sich aber gastfreundlich und ging mit den Geschenken zu leichtfertig um. Dennoch führten die Mannen von Trainer Rudi Garcia zur Halbzeit mit 1:0. 

Top-Chance Nummer eins: Hannes Wolf scheiterte an Marseille-Goalie Pele. 

Marseille eiskalt - Wolf und Gulbrandsen vergeben Top-Chancen auf wichtigen Auswärtstreffer

Ohne personelle Veränderungen kehrten beide Mannschaften zurück auf das Spielfeld. Die Bullen agierten zu Beginn der zweiten Halbzeit deutlich offensiver und setzten die Hausherren enorm unter Druck. Wenige Augenblicke nach Wiederbeginn zog Wolf nach tollem Zuspiel in den Strafraum und zog von halbrechts ab, doch Pele konnte sich auszeichnen und drehte den Ball über die Latte (53.). Kurz zuvor kam Lainer bei einem Zweikampf mit Sanson im Strafraum zu Fall. Die Pfeife vom schottischen Schiedsrichter Collum blieb allerdings stumm. Eine Fehlentscheidung wie die TV-Bilder zeigten. Von Marseille war vorerst wenig bis gar nichts zu sehen. Bis zur 63. Minute: Marseille konterte über Payet, der den kurz zuvor eingewechselten Clinton N´Jie bediente. Die Salzburg-Verteidigung wirkte schläfrig und hatte den Kameruner nicht am Schirm, der seelenruhig zum 2:0 einschob (63.).

Wenige Augenblicke später hatte Berisha beinahe die perfekte Antwort parat, doch seinen Weitschuss konnte Pele gerade noch abwehren (64.). Salzburg wollte das Auswärtstor unbedingt und hatte in der 78. Minute die Top-Gelegenheit: Andreas Ulmer bediente mit einer idealen Flanke den eingewechselten Gulbrandsen, der den Ball aus wenigen Metern nicht im Tor unterbrachte und nur die Stange traf – Unfassbar (78.). In der Schlussphase wirkten die Salzburger zu müde, um die Franzosen so richtig zu gefährden. Zudem agierte Marseille weiterhin sehr clever und ließ keine Torchance der Bullen mehr zu. 

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Stimmen zum Spiel

Salzburg-Trainer Marco Rose gegenüber Sky: „Sehr bitter. Ich finde, dass wir sehr viel im Griff hatten. Wir geraten durch eine Standardsituation in Rückstand. Wir müssen dann, glaube ich, einen klaren Elfmeter bekommen. Den kann man geben, aber es ist halt ein schottischer Schiedsrichter. Der sieht das vielleicht ein bisschen anders. Ist ja auch egal. Es wurde nicht gepfiffen, kann man nicht ändern. Ich glaube, dass wir hier heute ein sehr ordentliches Spiel gemacht haben. Wir hätten uns sicher mindestens ein Tor verdient und haben sicher eins zu viel bekommen, aber wir fahren jetzt nach Hause und rappeln uns wieder aus. Dann wird nächsten Donnerstag in Salzburg die Hütte sicher brennen. Ich habe schon das Gefühl, dass da noch was geht. Die Jungs sind einfach bereit und topfit. Ich glaube die Mannschaft will.“

Alexander Walke, Tormann und Kapitän FC Salzburg, im Sky-Interview: Ich glaube wir haben eigentlich ein ganz ordentliches Spiel gemacht. Wir sind durch eine Standardsituation in Rückstand geraten und haben eigentlich versucht weiterhin nach vorne zu arbeiten. Wir haben uns auch die eine oder andere, nicht hundertprozentige, Torchance erarbeitet. Marseille ist halt eine super Mannschaft. Die haben unsere kleinen Fehler eiskalt ausgenutzt. Ich glaube wir haben das ganz ordentlich gemacht. Das ist eine Mannschaft mit mega Qualität, das hat man gesehen. Es war brutal laut. Eigentlich konnte ich nur mit mir selbst reden, weil wir uns untereinander gar nicht verstanden haben. Auch das war eine neue Situation. Es ist Halbzeit und wir haben ja noch ein Spiel. Ich sage 50:50, das habe ich damals auch schon gesagt.“

Hannes Wolf, FC Salzburg, bei Sky: „Für uns ist es, denke ich, schon eine große Enttäuschung heute, weil die Gegentore eigentlich unnötig waren. Da hätten wir viel besser verteidigen können. Ich glaube wir haben eigentlich ein gutes Spiel gemacht. Unsere Chancen waren auch da, aber wir haben es heute halt nicht geschafft ein Tor zu erzielen. Ich glaube wir haben ein gutes Spiel gemacht. Wir waren auf Augenhöhe mit Marseille. Es ist noch nichts verloren.“

UEFA Europa League, Halbfinale, Hinspiel

Olympique Marseille - FC Salzburg 2:0 (1:0)

Stade Vélodrome, Marseille; 62.312 Zuschauer; SR Collum (SCO)

Tore: Thauvin (15.), N´Jie (63.)

Marseille: Pele – Sarr, Rami, Luiz Gustavo, Amavi – Lopez (60./N´Jie), Sanson – Thauvin (81./Germain), Payet (C), Ocampos (52./Anguissa) – Mitroglu 

Salzburg: Walke (C) – Lainer, Ramalho, Caleta-Car, Ulmer – Samassekou – Haidara (81./Yabo), Wolf (68./Schlager), Berisha – Hwang (60./Gulbrandsen), Dabbur 

 

Fotos: GEPA pictures/Red Bull Media

 

Geschrieben von Daniel Ringsmuth