Tricks, Traumpässe, tolle Tore: Mit himmelweiter Überlegenheit haben Zehn-Tage-Bundestrainer Marcus Sorg und die deutsche Nationalmannschaft Joachim Löws Sechs-Punkte-Plan perfekt umgesetzt. Die DFB-Elf feierte gegen das heillos überforderte Estland in Mainz mit 8:0 (5:0) ihren höchsten Sieg seit drei Jahren und bleibt auf ihrem Weg zur EM 2020 ohne Makel. Nun heißt es: Ab in den Urlaub. Jetzt Fußballreise buchen!
Überzeugender Auftritt der Nationalmannschaft

Überzeugender Auftritt der Nationalmannschaft

Fast ein Jahr nach dem WM-Desaster war Löw vor dem Fernseher in Freiburg wie schon gegen Weißrussland (2:0) sicherlich angetan. Marco Reus (10./37.), Serge Gnabry (17./62.), Leon Goretzka (20.), Ilkay Gündogan (26., Foulelfmeter), Timo Werner (79.) und Leroy Sane (88.) verwandelten den dritten Sieg im dritten Quali-Spiel in ein Schützenfest, im ausverkauften Stadion kreiste schon nach einer halben Stunde die La Ola. Die Esten hatten als Nummer 96 der Weltrangliste kaum mehr als körperlose Verteidigung zu bieten.

Vor dem Klassiker gegen die Niederlande am 6. September und dem Duell mit den bisher starken Nordiren drei Tage danach wird Löw wieder "mit voller Kraft" übernehmen, wie Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff versicherte. Eine Arterienquetschung als Folge eines Unfalls auf der Hantelbank hatte den 59-Jährigen erstmals in 13 Jahren als Bundestrainer außer Gefecht gesetzt.

Nach zwei Absprachetelefonaten mit Löw am Spieltag offenbarte Sorg eine veränderte, offensivere Aufstellung. Thilo Kehrer spielte für Lukas Klostermann auf der rechten Seite einer Vierer-Abwehrkette, Kreativmann Leon Goretzka kam für Innenverteidiger Jonathan Tah in die Mannschaft. Estland formierte sich in einer Fünfer- und einer Viererkette am und im eigenen Strafraum. Der bemitleidenswerte Stürmer Sergei Zenjov von Schachtjor Qaraghandy aus Kasachstan wartete an der Mittellinie mutterseelenallein auf lange Pässe.

Kehrer und Nico Schulz links waren als Außenverteidiger fast Flügelstürmer, so tief drückte die deutsche Mannschaft den Gegner in die Defensive. Sane und Reus, Torschützen gegen Weißrussland am Samstag, rückten dadurch weiter nach innen. Das zahlte sich aus, als Reus nach Direktpass von Kehrer zum 1:0 traf.

Torhüter Sergei Lepmets verhinderte mit einem Reflex das 2:0 durch Goretzka (13.), das vier Minuten später Gnabry erzielte. Estland war ein Spielball, schon nach einer Viertelstunde ging es nur um die Höhe des Sieges. Sorg, der "die Fans wieder begeistern wollte", lächelte zufrieden, als auch Goretzka traf. Für die Esten war Schlimmstes zu befürchten. Reus traf nur die Latte (30.), dafür schlenzte er eben einen Freistoß ins Tor.

Im DFB sind fünfmal so viele Menschen organisiert, wie Estland Einwohner (1,32 Millionen) hat. Zudem fehlte den Gästen der frühere Augsburger Ragnar Klavan, der einzige Spieler von internationalem Niveau. Als Kapitän Konstantin Vassiljev einen Freistoß auf das Tor brachte, brandete Applaus auf (45.).

Es stand schließlich die höchste deutsche Halbzeitführung seit dem WM-Halbfinale gegen Brasilien 2014 (7:1). 14 Siege in Serie in Qualifikationsspielen (EM und WM) hat es nie zuvor gegeben, ein 8:0 zuletzt gegen San Marino im November 2016.

Nach der Pause löste die deutsche Mannschaft ihren eisernen Klammergriff. Marcel Halstenberg (für Schulz) und Julian Draxler (für Gündogan) kamen ins Spiel, Estland hatte einige Ballstafetten, Zenjov prüfte Manuel Neuer (55.). Auf der Gegenseite kämpfte Sane darum, unter den Torschützen zu sein (57.), Werner kam für den stürmisch bejubelten Reus und traf auch. "Oh, wie ist das schön", sangen die 26.050 Zuschauer.

Nur mit einem Tor für Sane wollte es lange nicht klappen. Der Schiedsrichter-Assistent entschied nach einem Weltklasse-Treffer des von Bayern München umworbenen England-Legionärs auf Abseits - und lag damit falsch (67.). Kurz vor Abpfiff traf Sane regulär: endlich.

Marcus Sorg rückt nun plangemäß wieder in die zweite Reihe, für die Nationalspieler geht es in den ersehnten Sommerurlaub. Allerdings nicht für Tah und Klostermann: Die spielen ab dem 17. Juni in Italien und San Marino noch die U21-EM.

 

SID