Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff hat Fehler im Umgang mit der Erdogan-Affäre eingeräumt und erstmals von einem Verzicht auf Weltmeister Mesut Özil bei der WM in Russland gesprochen: "Wir haben Spieler bei der deutschen Nationalmannschaft bislang noch nie zu etwas gezwungen, sondern immer versucht, sie für eine Sache zu überzeugen. Das ist uns bei Mesut nicht gelungen. Und insofern hätte man überlegen müssen, ob man sportlich auf ihn verzichtet", sagte Bierhoff in einem Exklusivinterview mit der Welt. Jetzt Fußballreise buchen!

Özil hat sich seit den Mitte Mai in London entstandenen Bildern mit dem umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in der Öffentlichkeit im Gegensatz zu Ilkay Gündogan nicht geäußert und blieb auf Erlaubnis des DFB auch dem Medientag im Trainingslager fern. Nach dem historischen WM-Aus in der Vorrunde wurde Özil von der Öffentlichkeit zu einem der Sündebocke auserkoren und harsch kritisiert.

"Ich glaube, die Tatsache, dass Mesut und Ilkay die Fotos gemacht haben, hat die Mannschaft nicht so sehr beschäftigt. Aber die Debatte war nachhaltig. Im Rückblick würde ich versuchen, dieses Thema noch klarer zu regeln", sagte Bierhoff.

Der Europameister von 1996 kündigte zudem "tiefgreifende Veränderungen" an: "Was zu einer 14 Jahre währenden Erfolgsgeschichte beigetragen hat, darf nicht einfach ignoriert werden. Klar ist aber, dass wir alles auf den Prüfstand stellen müssen, personell und strukturell", sagte Bierhoff: "Dazu gehören die Zusammenstellung des Kaders genauso wie die internen Abläufe. Es muss Einschnitte auf allen Ebenen geben. Wir haben uns in Russland nicht als Mannschaft präsentiert. Das ist etwas, was mir besonders wehtut."

Die immer öfter thematisierte Entfremdung zwischen den Fans und der Nationalmannschaft hat Bierhoff nach eigenen Angaben "registriert" und nimmt "diese Wahrnehmung sehr ernst", wehrt sich diesbezüglich jedoch auch gegen einige Behauptungen.

"Im Trainingslager sind die Spieler teils mit dem Fahrrad zum Trainingsplatz gefahren, haben bei den wartenden Fans angehalten und Autogramme geschrieben. Oft wird da einiges verklärt, denn solch eine Nähe gab es zu meiner aktiven Zeit nie", sagte Bierhoff.

 

SID