Sie zählt zu den Gesichtern im österreichischen Frauen-Fußball: Viktoria Schnaderbeck. Von 2007 absolvierte die Mittelfeldspielern 83 Länderspiele für das ÖFB-Frauenteam, ehe die gebürtige Grazerin heuer am 10. August ihre erfolgreiche Karriere beendete. Zu den Klubs der 31-Jährigen zählen LUV Graz, FC Bayern München, Arsenal Woman FC und Tottenham Hotspur WFC. Bei Sky Sport Austria äußerte sich die langjährige ÖFB-Kapitänin im Talkformat „RIESENrad – Sportgrößen im Waggon 28“ bei Kimberly Budinsky auf authentische und offene Art, um einiges preis zu geben. Das HIER könnte Sie/Euch auch interessieren!

 

"War richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt"

Viktoria Schnaderbeck (Ex-ÖFB-Kapitänin) über...

…ihr kürzlich vollzogenes Karriereende und erste Zeit danach: „Mir geht es tatsächlich gut. Ich bin sehr im Reinen mit mir selber. War natürlich eine Entscheidung, die schon länger dauert, bis man dann tatsächlich zum Entschluss kommt. Umso schön ist es, dass ich jetzt sagen kann: Es war die richtige Entscheidung. Und ich weiß auch, dass es nicht nur die richtige Entscheidung war, sondern auch die richtige Entscheidung, zum richtigen Zeitpunkt. Ich freu mich jetzt auf das, was kommt.“

…ihre Anfänge in Burschenmannschaften: „War eine ganz wichtige Schule, mit den Burschen zu kicken. Habe dabei die Möglichkeit bekommen, mich zu entwickeln. Du wirst halt maximal gefordert und denke, hat mir auch schon sehr, sehr viel gebracht. Aber man muss sich natürlich vorstellen: Alles was ich gemacht habe, war ich die erste, die einzige oder ich musste komplett einen neuen Weg kreieren.“

…die Rolle von Cousin Sebastian Prödl in ihrer Entwicklung: „Ist sehr wichtig, wenn ich jetzt zurückblicke, dass ich jemanden gehabt habe, auf den ich aufblicken hab können. Auch wenn es kein Mädl war, aber spielt auch keine Rolle, solange du ein Vorbild hast, dem du nacheifern kannst. Denke, hat eine große und wesentliche Rolle gespielt, dass ich schon jemanden in der Familie gehabt habe, der den Weg schon vorgegangen ist.“

…ob schon immer klar war, dass sie Profifußballerin werden wollte: „Habe damals tatsächlich ein Fernsehinterview im Alter von 10 Jahren gehabt, wo ich gesagt habe, dass ich einmal Profifußballerin werden will. Aber ich hatte damals natürlich keine Vorstellung, was das wirklich bedeutet, welche Hürden noch vor mir liegen und welche Strapazen das mit sich bringen würde. Aber dieser Traum, an dem ich viele Jahre festgehalten habe, hat mir dann in den schwierigen Phasen geholfen, weiterzumachen.“

…Schritt, als 16-jährige, zum FC Bayern München (Anm. gemeinsam mit Carina Wenninger): „War eigentlich komplette Eigeninitiative. War ja nicht so, dass Bayern München angeklopft hat, sondern ich bzw. wir haben bei Bayern angeklopft und gesagt, dass wir ein Probetraining machen möchten und weiterkommen möchten, weil in Österreich ist man damals relativ schnell angestanden.“

Geld im Frauenfußball ist "noch nicht genug“

…weiter zu diesem Schritt, nach Deutschland zu gehen: „Waren natürlich große Zweifel da. Ich bin ein sehr heimatverbundener Familienmensch und war davor noch nie wirklich weg von daheim. Dann gehst du weit weg, wo du keine Freunde und Familie hast und wo gefühlt eine ganz andere Welt auf dich wartet. Da habe ich schon Heimweh mit im Gepäck gehabt, es war nicht immer einfach.“

…was sich seit damals im Frauenfußball im Positiven geändert hat: „Die Wahrnehmung und die Akzeptanz der Frau in der Gesellschaft und im Frauenfußball hat sich in der Öffentlichkeit extrem verändert. Als ich damals nach München gegangen bin, haben es viele belächelt und heute, nach meinem Karriereende, applaudieren viele. Man kann jetzt auch viel mehr Geld im Frauenfußball verdienen, auch wenn es meiner Meinung nach noch nicht genug ist. Sind kleine Meilensteine, die jetzt aber schon zu einer großen Veränderung führen.“

…weiter Veränderungen im Frauenfußball: „Habe dann als Kapitänin und Repräsentantin einer Nationalmannschaft wirklich diese Verantwortung gespürt, meinen Mund aufzumachen. Aber nicht um als Rebell dazustehen, sondern meine Stimme zu benützen, um Veränderung zu erzielen, um Menschen aufmerksam zu machen und auf Missstände oder Ungleichheiten aufmerksam zu machen. War mir sehr wichtig, auch um so Vorbild sein zu können, für junge Mädls.“

„Viele glauben aber immer noch, Frauen gehören in die Küche und nicht auf den Fußballplatz“

…welche Dinge heute noch immer unfair ist: „Viele glauben noch immer, Frauen können nicht Fußball spielen, Frauen können keine Stadien füllen und viele glauben noch, Frauen gehören in die Küche und nicht auf den Fußballplatz und Fußballprofi ist kein Beruf für Frauen. Stimmt nicht.“

…Veränderungen nach dem ÖFB-Sommermärchen 2017: „Auch im Verband hatten wir davor Verhandlungen, wo es um wenige Euros gegangen ist und selbst die schon zu viel waren. Danach waren plötzlich alle auf unserer Seite. Da ist mir eigentlich bewusst geworden, wie es läuft. Wenn du Erfolg hast, dann sind alle auf deiner Seite, aber zu Beginn, wenn du die ehrliche Unterstützung brauchst, dann schauen alle weg.“

…die EURO 2022:Ich war das Jahr davor eigentlich lange und schwer verletzt und habe eigentlich nicht gewusst, ob ich das noch schaffen kann. Daher war dann diese Einberufung wirklich ein ganz großer Moment für mich. Ein zweiter ganz großer Moment war dann das Eröffnungsspiel gegen England im Old Trafford. Da wusste ich, dass mein Ziel erreicht wurde und mein Traum voll in Erfüllung gegangen ist. Da habe ich große Dankbarkeit und Demut gespürt. Und mein letztes Spiel, gegen Norwegen, wo wir wieder ins Viertelfinale eingezogen sind, setzt schon gewisse Emotionen aus. War einfach der perfekte Tag, wie man sich ihn vorstellt. Letztendlich wieder Geschichte zu schreiben, war einfach ganz, ganz groß. Sind einfach Momente für die Ewigkeit.“

...ihren Abschied vom Fußball, nach dem Ausscheiden gegen Deutschland im Viertelfinale: „Da war schon tiefe Traurigkeit da, muss ich ehrlich sagen. Einerseits, weil die sportliche Reise zu Ende war und andererseits aber auch, da du dich von Menschen verabschiedest, mit denen du eigentlich dein halbes Leben gegangen bist, groß geworden bist und durch dick und dünn gegangen bist. Waren sehr emotionale Momente. Aber wenn es extrem emotional wird, dann bedeutet es auch, dass es extrem schön war.“

…ihre vielen Verletzungen, insbesondere 8 Operationen am selben Knie: „War eine enorme Ausfallszeit, wenn man es in Monaten und Jahren bemisst. 8 Stück am rechten Knie, war schon wirklich brutal. Auch mental wurde es immer zermürbender. Bei der letzten OP habe ich wirklich so oft gedacht: Ich kann nicht mehr. Bin so oft am Sofa gesessen und habe geweint. Aber ich hatte dann doch noch das Ziel EURO.“

„Habe mich für viele Jahre dafür geschämt und mich als Enttäuschung gefühlt“

ihr Coming-out im Jahr 2019: „Habe schon früher gewusst, dass ich auf Frauen stehe, hatte auch davor schon Beziehungen, aber habe es in der Öffentlichkeit komplett verheimlicht. Habe entweder gelogen, Ausreden gesucht oder einfach in Verleugnung gelebt. Basiert auf der Tatsache, dass ich mich für viele Jahre dafür geschämt habe und mich als Außenseiterin und Enttäuschung gefühlt habe. Heute kann ich aber mit Stolz sagen, dass ich so bin wie ich bin. Aber in vielen Jahren war das nicht der Fall.“

…weitere Hintergründe ihres späten Outings: „Habe versucht, es aufzuarbeiten und ich denke, es beruht sehr stark auf diesen heteronormativen Einstellungen, die Leute noch pflegen und den unterschwelligen Kommentaren, dass im Fußball eh nur Lesben sind. Wollte nicht dem Klischee entsprechen und dir wurde oftmals gesagt: Homosexuell zu sein, ist schlecht, oft auch durch die Blume. Habe auch Angst gehabt, dass es meine Karriere beeinflussen würde bzw. ich eine Versagerin bin.“

…abschließenden Gesamteindruck ihrer Karriere: „Würde es absolut nochmal genauso machen.“

…ihre Zukunft: „Werde jetzt Zeit für meine Freunde und Familie haben. Habe auch weiterhin hohe Ansprüche an mich, denn Durchschnitt ist für mich nicht akzeptabel. Habe hohe Ambitionen und will dem Fußball nicht den Rücken kehren und weiterhin Dinge anstoßen.“

Zur Person:

Viktoria Sophie Schnaderbeck, geb. 04.01.1991 in Graz

83 Länderspiele ÖFB-Team (2 Tore), Position: Mittelfeld, Größe: 1,74m

Vereins-Stationen: TSV Kirchberg/Raab (1998-2006), LAZ Weiz (2003-2005), Grazer AK 1902 (2005/2006), LUV Graz (2006/2007), FC Bayern München II (2007-2010), FC Bayern München (2010-2018), Arsenal Woman FC (2018-2022), Tottenham Hotspur WFC (2022).

Fotocredit: IMAGO / PA Images