Ist die Rede vom österreichischen Frauen-Fußball, kommt man(n)...und Frau...unweigerlich nicht an ihr vorbei: Manuela Zinsberger. Damit ist nicht gemeint, dass die ÖFB-Team-Torhüterin, die im Sommer 2019 vom FC Bayern München zum englischen Erstligisten Arsenal Women FC wechselte, meist "zu Null" spielt, sondern mit 27 Jahren bereits große Reputation erworben hat. Rd. 90 Teamspiele, Semifinale mit Österreich (EM 2017), Österreicherin des Jahres 2017 (Kategorie "Erfolg international")Österreichs Fußballerin des Jahres 2020. Nachfolgend die gebürtige Stockerauerin im "Give-me-five"-Interview (5 Fragen = 5 Antworten).

 "Wir konnten wieder neue Prozesse einleiten"

Ligaportal: Hallo Manuela. Das ÖFB-Frauen-Team beendet das Kalenderjahr 2022 mit einem 1:0-Coup gegen Italien (Freitag) und 3:0-Erfolg gegen die Slowakei (gestern). Du bist gegen die Slowakinnen nicht dabei gewesen und vorzeitig abgereist, warum?

Manuela Zinsberger: Ja, das ist schon gut zusammen gefasst. Wir haben mit 2 Siegen das Nationalteam-Jahr beendet und können mehr als zufrieden sein. Viele neue Gesichter wieder in der Nationalmannschaft, viele haben Einsatzzeiten bekommen. Wir konnten wieder neue Prozesse einleiten und das ist das Wichtigste. Ich war gegen die Slowakei aus privaten Gründen nicht dabei. Das war mit der Trainerin abgesprochen.

Ligaportal: Ok, private Gründe gilt es zu respektieren. Wie siehst Du generell die Entwicklung im österreichischen Frauen-Fußball, nachdem in 2017 mit dem Semifinale und nach Elfmeterschießen gegen Dänemark nur denkbar knapp verpassten Finale um das ÖFB-Frauen-Team ein wahrer Hype kursierte, die TV-Zuschauer-Resonanz nach oben schnellte?

"Das bereitet mir nach wie vor Gänsehaut"

Manuela Zinsberger: Sehr, sehr gut meiner Meinung. Ich bin mir zu 100% sicher, dass das Frauen-Nationalteam in 2017 den Stein ins Rollen gebracht hat mit dem Erreichen des EM-Halbfinales. Wobei wir es sogar fast ins Finale geschafft hätten. Und das bei der erstmaligen Teilnahme einer Europameisterschaft. Das bereitet mir nach wie vor Gänsehaut. Zusätzlich das Erreichen einer 2. EM in England heuer. Das ist natürlich unglaublich und pusht den Frauenfußball in Österreich unglaublich. Wir haben im Sponsoring einiges erreichen können und viele Leute zum Umdenken bewegen können.

Leute für den Fußball begeistern können, die vlt. vorher mit dem Fußball nichts am Hut hatten. Wir haben wieder mehr Mädchen für den Fußball gewinnen können, wobei da immer noch Luft nach oben ist. Aber was mich am meisten freut ist, dass der SKN St. Pölten erstmalig die Gruppenphase der Champions League erreicht hat. Das ist der nächste Meilenstein. Unabhängig vom SKN, das Ziel muss es sein, die österreichische Frauenliga so zu professionalisieren, sodass nicht jeder gleich denkt, ich muss ins Ausland gehen, um was zu erreichen und den nächsten Schritt zu setzen.

Sondern die ersten ein, zwei Jahre sich erstmal in Österreich stabilisieren, sich weiter entwickeln und erst dann den nächsten Schritt setzen. Da müssen wir hin! Aber bis dahin haben wir schon einiges erreichen können. Man kann nie genug kriegen und will immer den nächsten Schritt nach vorn setzen, man möchte immer ein Prozent besser werden. Den Part versuchen wir bei der Nationalmannschaft vorzuleben. Vorbilder zu sein, für Dinge zu kämpfen. Alles zu geben, damit wir den Frauenfußball noch weiter fördern und nach vorne pushen. Das würde uns sehr freuen.

"Für die nächsten Generationen was schaffen"

Ligaportal: Du hast den Sprung ins Ausland und den Profifußball geschafft, hast noch Vertrag in London bei Arsenal bis Juni 2023. Wie sehen Deine Pläne und Ziele danach aus...und den Marko Arnautovic (Anm.: 33 Jahre, 104 Länderspiele) als ÖFB-Team-Rekord-Inhaber holst Du ja noch ein, oder ?

Manuela Zinsberger: Mein Ziel ist es, für die nächsten Generationen was zu schaffen. Natürlich möchte ich die 100er-Marke im ÖFB-Team knacken. Marko Arnautovic bin ich ja dicht auf den Fersen (lacht). Aber das ist garnicht mein Ziel wegen ihm, sondern generell. Das ist ein Meilenstein, auch für mich persönlich. Als Torfrau noch dazu. Da wirklich die 100er-Marke zu knacken und hoffentlich noch Erfolge mit der Nationalmannschaft zu feiern oder kreieren. Aber da gilt es erstmal neue Prozesse einzuleiten, was Neues zu formen, um dann wieder aggressiv angreifen und den österreichischen Fußball begeistern zu können.

Ich bin jetzt mein 4. Jahr bei Arsenal in London und megaglücklich hier. Habe mehr Potenzial aus mir rausgeschöpft als ich zunächst dachte, machbar zu sein. Diese Struktur und Professionalisierung, die hinter dem Verein steckt, viele Spiele in den Männer-Stadien, die Atmosphäre in den Stadien selber, die Fans, diesen Support, den man bekommt. Ich finde auch, dass ich mich nicht nur in meiner Persönlichkeit weiter entwickelt habe, sondern auch extrem sportlich. Und in vielen anderen Aspekten, sei es Ernährung, Athletik, mentale Gesundheit.

Was in Zukunft wird, weiß ich nicht. Manches steht noch in den Sternen. Was ich auf jeden Fall möchte ist, dass ich und meine Familie gesund bleiben. Und dass ich nächstes Jahr meine Verlobte zu meiner Frau mache, darauf freue ich mich am meisten. Was im Fußball passiert, vermag ich noch nicht zu sagen, das geht manchmal so schnell. Ich bin glücklich und das zählt.

Ligaportal: Du hast bei einem deutschen Top-Klub gespielt mit dem FC Bayern München, nun bei einem englischen Top-Klub FC Arsenal. Wie lassen sich die beiden Ligen und Klubs aus Deiner Sicht vergleichen bzw. einschätzen?

"Englische Liga ist Deutscher Bundesliga weit voraus"

Manuela Zinsberger: Wenn man sich die deutsche Liga anschaut, ist in den vergangenen 2 Jahren wieder einiges vorran gegangen. Sei es Spiele in den Männerstadien, Zuschauer-Rekorde wurden geknackt. Die Professionalisierung der Liga ist angegangen worden. Aber nichtsdestrotrotz müssen wir davon reden, dass in der deutschen Liga, vor allem den unteren Bereichen der Tabelle, noch viele nebenbei arbeiten gehen müssen, um sich den Unterhalt leisten zu können.

Die können sich nicht etwas Geld auf die Seite leben. Da sind wir von 1.000ten von Beträgen weit entfernt. Ich glaube das ist ein Punkt, der in der deutschen Liga angegangen werden muss. Vor allem wenn die Überlegung ist, Montagspiele anzubieten. Dann müssen sich viele wahrscheinlich Urlaub nehmen. Das muss in den Griff bekommen werden, denn ansonsten verliert die deutsche Bundesliga den Anschluss zur z. Bsp. englischen Liga.

Die weit, weit voraus ist. Nicht nur medial wie mit Sky, Sky Sports oder BBC. Es gibt hier eine App, wo man die Spiele schauen kann. Natürlich ist auch hier nicht alles Gold was glänzt. Da hat die englische Liga auch noch Aufholbedarf generell. Für Deutschland gilt es jetzt nicht nur ein, zwei sondern drei, vier Schritte nach vorne zu gehen.

Die deutsche Bundesliga hat viel zu lang zugeschaut. Sie dürfen den Zug jetzt nicht verpassen. Ich denke, es geht da einiges vorran. Man darf da nicht locker lassen, muss hart dafür kämpfen, dass wir den Frauenfußball fördern und fordern. Sowie die dementsprechenden Leute, die dahinter sitzen, fordern, um da wirklich den nächsten Step zu setzen.

Ligaportal: Du hast es als eine von wenigen Fußballerinnen geschafft, Profi zu werden. Wie weit lässt sich für Dich vom Fußball leben und wie sind die Verbindungen mit den jeweiligen Männer-Profiteams in London und München. Beim FC Bayern war es ja so, dass ihr mit David Alaba und Co. damals bei Meisterfeiern mit auf dem Rathaus-Balkon am Münchener Marienplatz mit gefeiert worden seid?

"DAS ARSENAL - ein Team - ein Verein"

Manuela Zinsberger: Natürlich habe ich mich hoch gearbeitet und kann mittlerweile sehr gut von meinem Gehalt leben. Und zwar unabhängig von den Sponsoren-, Medien- und Marketing-Geldern. Was den Männerbereich betrifft, da hat der FC Bayern einen Schritt nach vorne gemacht. Die erste und zweite Meisterfeier, die ich miterleben durfte, wurde am Rathausbalkon mit den Männern gemeinsam gefeiert. Auch die interne Feier davor durften wir mit dabei sein.

Das zeigt schon eine unglaublich Wertschätzung. Jetzt dürfen die Mädels auch gegen den großen FC Barcelona in der Allianz Arena spielen. Das ist der nächste Meilenstein. Auch wir bei Arsenal haben die Möglichkeit, die Männer jeden Tag zu treffen. Wenn die Zeiten passen siehst du sie am Trainingsgelände. Wir haben einen ganz großen Gym, wo man der ganzen Mannschaft mal über den Weg läuft.

Medial hat die ein oder andere Spielerin den Termin mit einem männlichen Kollegen. Da wird schon geschaut - wie beim FC Bayern - dass es "DAS ARSENAL" ist, "EIN ARSENAL", ein Team. Ein Verein.

Stockerau - Wien - München - London

Ligaportal: Eine Zugabe noch. Du hast Weltstädte wie Wien, München und nun London näher kennengelernt. Was macht das mit Dir an Erfahrungen, gerade die Münchener Mentalität und Londoner Life?

Manuela Zinsberger: Es hat sehr viel mit mir gemacht. Zunächst mal (Anm.: als Niederösterreicherin) die Nähe zu Wien zu haben, wo du Bodenständigkeit und Nähe zur Familie und diese Unbekümmertheit hast.

Dann den nächsten Schritt zu wagen in die Großstadt München. Wo dieses Mia-san-Mia vom FC Bayern durchweg gelebt wird. Ich habe mich zu 100% damit identifizieren können. Von mir als Persönlichkeit her, aber auch den Werten des Vereins.

Und dann den nächsten Schritt oben drauf zu setzen und nach London zu gehen. Das war nochmal eine andere Hausnummer. Andere Sprache, andere Sitten. London ist nochmal eine unglaublich größere Stadt zu München, kann man gar nicht vergleichen. Ganz andere Kultur, hat einen eigenen Charme. Ich mag London sehr. Es hat das gewisse etwas.

Du hast nie ausgelernt. Gefühlt 10 Jahre kannst du hier leben und hast noch nicht alles gesehen. Diese Kreativität und Offenheit in dieser Stadt ist unglaublich. Wien - München - London...ich bin echt dankbar, dass ich da leben durfte oder ja in London noch leben darf und solche Erfahrungen sammeln konnte.

Ligaportal: Danke für das offene und ehrliche Gespräch. Alles Gute für die Zukunft!

Zur Person:

Manuela Zinsberger, geb. 19.10.1995 in Stockerau / Vater Ernst war auch Torwart

Fußball-Profi, Torwart, derzeit Arsenal Woman FC (Vertrag bis 30.06.2023)

Vereine zuvor: USV Leitzersdorf, SV Stockerau, USV Großrußbach, Neulengbach Juniors, SV Neulengbach, FC Bayern München II, FC Bayern München.

Ausgebildete Bürokauffrau (Lehre abgeschlossen während Zeit beim FC Bayern München)

Das Interview führte Ligaportal-Redakteur Herbert Pumann

Fotocredit: IMAGO/Sports Press Photo