Edi Stöhr: "Müssen bei unserer Mission in jedem Spiel an Leistungsgrenze gehen"

altSeit Montag leitet Edi Stöhr als Neo-Coach des FC Blau-Weiß Linz das Training des Tabellenletzten der Heute-für-Morgen-Erste Liga. Am Freitag (18.30 Uhr, Linzer Stadion) gibt der 56-jährige Deutsche im letzten Ligaspiel des Jahres im Linzer Stadion gegen Trainer-Routinier Paul Gludovatz und den TSV Hartberg bei der "Mission Klassenerhalt" sein Debüt bei den Königsblauen. Über Gludovatz, erste Eindrücke und Ausblicke bei Blau-Weiß Linz, Testungen plus Hausaufgaben in der Winterpause für Kapitän Tino Wawra und Co, seinen Ex-Klub Austria Lustenau und die "Mission Klassenerhalt" äußerte sich Edi Stöhr in erfrischender Offenheit im (deutschen) Gespräch mit Ligaportal-Reporter Herbert Pumann.

 

Nach Ihrer Verpflichtung als neuer Coach vom FC Blau-Weiß Linz haben Sie die Mannschaft zunächst in Grödig von der Tribüne aus verfolgt. Weiters haben Sie Spiel-Videos studiert, welche ersten Eindrücke haben Sie über das Leistungsvermögen Ihrer neuen Schützlinge gewonnen?

Edi Stöhr: "In Grödig hat die Mannschaft sicher nicht ihr wahres Leistungsvermögen gezeigt. Wir dürfen allerdings auch nicht blauäugig sein und schön reden, was nicht schön zu reden ist. Die Mannschaft steht nicht ganz zu unrecht da unten in der Tabelle. Bei einem Punkteschnitt von 0,66 muss einiges nicht in Ordnung sein. Ob dies jetzt an der Qualität der einzelnen Spieler liegt, oder aber an der Qualität des Trainings bzw. dessen, wie man die einzelnen Spieler zusammenführt zu einer schlagkräftigen Einheit, das kann ich noch nicht sagen. Meine bisherigen Trainingseinheiten, die ich bisher mit der Mannschaft gehalten habe, haben mich schon überzeugt davon, dass mehr in ihr steckt."

"Mannschaft ist ein bisschen wankelmütig"

Wie haben Sie die Mannschaft, insbesondere mental, vorgefunden. Sie wirkte in dieser Saison nicht immer so als verschworene Einheit wie im ersten Jahr nach dem Aufstieg?

Edi Stöhr: "Sagen wir es mal so, sie ist ein bisschen wankelmütig. Sie war in den letzten Wochen eher auf dem aufsteigenden Ast. Das Spiel gegen Horn zuhause (Anm.: 3:0-Sieg) war sehr gut. Auch das Spiel gegen St. Pölten, als die Mannschaft mit 2:0 geführt und am Ende nur unentschieden gespielt hat. Gegen Grödig zuletzt war zwar ein Rückfall. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Grödig nicht irgendwer in der Liga ist und da ist schon was dahinter. Ich glaube, dass die Mannschaft - wie gesagt - von der Stimmungslage her etwas wankelmütig ist. Der Tabellenplatz tut sein Übriges, dass man dann bei einem Gegentor nicht mehr mit so ganz frischem Drall nach Vorne spielt, doch in sich zusammen bricht sie nicht. Ich glaube, dass es kein Problem sein wird, Stabilität rein zu kriegen."

Jetzt steigen Sie eine Runde vor der langen Winterpause ein. Das ist schon ungewöhnlich. Wie beurteilen Sie den Zeitpunkt?

Edi Stöhr: "Da bin ich wahrscheinlich der falsche Ansprechpartner. Ich habe den Anruf schon vor drei Wochen bekommen vom Andi Kindlinger (Anm.: Management Blau-Weiß Linz). Man hat ja hier in Linz schon länger und intensiver über einen Trainer nachgedacht und hat vielleicht auch gedacht, dass die Zwischenlösung Gerald Perzy auch eine Dauerlösung werden kann. Wie intensiv der Verein gesucht hat, vermag ich nicht zu sagen."

Sie waren zuvor seit Sommer ohne Trainer-Job, sind ein anerkannter Trainer, haben eine gute Vita und auch was vorzuweisen in Österreich. Wie kam es aus Ihrer persönlichen Sicht, dass es ein paar Monate gedauert hat, bis Sie wieder einen Verein haben. Haben Sie bewusst abgewartet, den Markt sondiert?

Edi Stöhr (schmunzelnd): "Nein. Das gilt bei Trainern genau das Gleich wie bei Pressesprechern, Herr Pumann. Der Markt ist sehr klein in Österreich. Interessant sind die beiden Profiligen ohne Zweifel. Darunter folgen die Regionalligen. Da gab es natürlich Anfragen. Wenn man das macht, ist man natürlich auch gebunden, zumindest für ein Jahr. Und dadurch nicht frei für einen anderen Verein. Deshalb habe ich gewartet. Ich hätte mir schon gewünscht, dass es ein bisschen früher gegangen wäre. Doch es ist halt normalerweise auch so, dass sich in der Zeit um Weihnachten Präsidenten überlegen, machen wir was oder nicht".

Spezielle Trainingsinhalte, die emotionale Reaktionen begünstigen

Jetzt haben Sie gerade mal ein paar Tage Zeit, um Ihre neue Mannschaft auf das Spiel gegen Hartberg einzustellen. Wie wirken Sie da in der kurzen Zeit ein, geht doch genau genommen nur mental, oder?

Edi Stöhr: "Das mentale Einwirken liegt sozusagen auf der Hand. Was ich bisher im Training festgestellt habe ist, dass die einzelnen Spieler an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gegangen sind. Das ist ausgezeichnet. Allerdings habe ich nichts anderes erwartet. Ich weiß jetzt nicht genau, ob das nun mit meiner Person zu tun hat oder ob ein Trainerwechsel insgesamt solche Veränderungen hervorruft. Wir haben natürlich schon miteinander gesprochen, andererseits hatten wir auch spezielle Trainingsinhalte, die emotionale Reaktionen begünstigen. Wir haben natürlich auch bestimmte taktische Sachen schon geübt. Zwei, drei. Ob man die jetzt am Freitag so sehen wird, wie sich der Trainer das vorstellt, weiß ich nicht, weil ich kein Hellseher bin."

Sie sprachen taktisch Belange an, worauf wird es dabei in diesem einen Blau-Weiß-Spiel 2012 am Freitag unter Ihrer Regie ankommen?

Edi Stöhr: "Wichtig ist, dass für das eine Spiel das Emotionale, der Teamspirit da sein muss. Die Mannschaft muss sich selbst in die Pflicht nehmen, Wir werden dafür tun, was zu tun ist. Im Grunde genommen ist es der ein oder andere Dreh an der taktischen Stellschraube, der uns dann hoffentlich weiter hilft."

Wie weit wird es personelle und System-Veränderungen geben?

Edi Stöhr: "Also personelle Veränderungen muss es allein schon dadurch geben, weil ein Spieler gesperrt ist und mit dem angeschlagenen Knabel und dem erkrankten Koll zwei weitere fraglich sind".

Mit Knabel und Koll gleich zwei etatmäßige Innenverteidiger. Welche Alternativen stünden bereit oder gilt es gar zu experimentieren?

Edi Stöhr: "Das könnte sein. Ich hoffe nicht und hoffe, dass der Knabel das hin kriegt bis Freitag. Wir werden ihn in Watte packen. Doch wenn nicht spielen, dann geht es auch weiter".

"Bin kein System-Junkee"

Vom System her, haben Sie da eine taktische Grundordnung bzw. welches System präferieren Sie?

Edi Stöhr: "Ich bin kein System-Junkee. Ich präferiere die Vierer-Reihe. Das ist aus meiner Sicht alternativlos. Ohne jetzt jemandem, der die Dreier-Reihe spielt, etwas vorwerfen oder es nicht respektieren zu wollen, wobei z. Bsp. die Rieder das sehr gut machen. Doch in meiner Idee spielt die Vierer-Reihe hinten die entscheidende Rolle. Da gibt es eine klare Rangordnung im System. Davor bin ich für variable Möglichkeiten. Wir brauchen natürlich die Außenpositionen, doch die Mittelfeldpositionierungen lasse ich mir völlig offen."

Egal, wie das Spiel am Freitag gegen Hartberg ausgeht, Blau-Weiß Linz wird definitiv als Tabellenletzter überwintern. Der Zugzwang, der Druck ist da. Wie weit üben Sie selbst Druck aus auf die Mannschaft oder nehmen Sie eher welchen?

Edi Stöhr: "Im Moment natürlich versuche ich eher zu nehmen. Die Mannschaft ist relativ jung, sie hat viel Druck, bekommt viel, auch extern, und macht ihn sich auch selbst. Das ist womöglich auch ein Grund mit, warum es nicht wirklich klappen will. Von daher ist es verkehrt, noch mehr Druck zu machen. Fußball ist so, dass man auch Druck fühlt und ihn dann kanalisieren kann."

Harte Nuss Hartberg

Wie schätzen Sie den kommenden Gegner TSV Harberg ein, bei dem Blau-Weiß Linz ja seinen ersten Saisonsieg und zugleich einzigen Auswärts-Dreier verbuchte?

Edi Stöhr: "Der TSV Hartberg ist jetzt, glaub ich, im dritten oder gar im vierten Jahr in der Liga und hat eine gestandene Truppe, ist relativ stabil im Mittelfeld und ich glaube, dass es eine harte Nuss für uns ist."

"Paul Gludovatz ist eine Ikone im österreichischen Fußball"

Ihr Pendant beim TSV Hartberg ist mit dem in Oberösterreich aus seiner Ära bei der SV Ried bestens bekannten Paul Gludovatz ein weiterer Trainer-Fuchs. Da gab es ja auch schon einige Begegnungen. Ich denke da auch an das ÖFB-Cup-Finale 2011 zwischen Ried und Austria Lustenau, den Sie als Zweitligist sensationell dorthin geführt hatten. Was denken Sie über Paul Gludovatz?

Edi Stöhr: "Der Paul ist eine Ikone im österreichischen Fußball. Nicht immer von allen geliebt, aber geschätzt und respektiert in seiner Arbeit innerhalb des ÖFB. Das ist nachhaltig bewiesen. Auch in Ried, wo Paul die Grundlagen gelebt hat und durch seine Art, wie er den Verein sportlich nach Vorne gebracht hat. Auf der anderen Seite spielt am Freitag nicht "Stöhr gegen Gludovatz", sondern es spielen die beiden Mannschaften gegeneinander und da gibt es sicher noch andere Aspekte, die im Laufe des Spiels eine Rolle spielen, die für den Ausgang des Spieles den Ausschlag geben".

Es ist das letzte Spiel vor der dreimonatigen Winterpause. Wie geht es nach der Hartberg-Partie im Zeitplan weiter bei Blau-Weiß Linz?

Edi Stöhr: "Wir haben am Samstag unsere Weihnachtsfeier. Am Sonntag haben wir frei, am Montag und Dienstag Testungen. Da werden wir sehen, dass wir schnell die Auswertungen bekommen. Dann kriegen die Spieler noch ihre Hausaufgaben mit in den Urlaub. Die Pause ist also ab 5. Dezember und dann geht es Anfang Jänner wieder los. Verzeihen Sie mir, dass ich das Datum nicht so genau weiß. Ich glaube, am 6. oder 7. Januar geht es dann wieder los".

Was sind das für Testungen?

Edi Stöhr: "Das sind Ausdauer-, Lauf-, Schnelligkeit- und Gesundheit-Tests. Ich müsste da jetzt lügen, das war alles vorher schon festgelegt und ich werde das wohlwollend begleiten".

Blau-Weiße Stärken bleiben geheim!

Sie wurden bei Ihrem Amtsantritt vor einer Woche so zitiert, dass für die Mannschaft vom Leistungsvermögen her Platz 8 in der Liga drin ist. Demnach müssten noch zwei andere Klubs dahinter stehen. Woran machen Sie Ihre Zuversicht fest und sehen Sie die Stärken in der Mannschaft?

Edi Stöhr: "Na ja, ich kann ja nicht kommen und sagen, dass wir 100prozentig Zehnter bleiben. Dann hätte ich nicht kommen brauchen. Ich muss natürlich auch ein bisschen Optimismus versprühen, doch ich werde jetzt nicht den Teufel tun und erklären, wo unsere wahren Stärken sind. Erstens kriege ich das auf´s Butterbrot, wenn es dann nicht so läuft. Und zweitens würde dann ja auch jeder wissen, wo sie sind. Wir wollen da schon ein bisschen geheim tun. Doch ich bin der Tat davon überzeugt, dass in der Mannschaft genug Potenzial steckt, um auch mal eine kleine Serie hinzulegen und dadurch den Anschluss zu schaffen. Wenn wir das getan haben, dann wird das ein Drei- oder Vierkampf um den achten Platz. Wichtig für uns ist: wir müssen bei unserer Mission in jedem Spiel an unsere Leistungsgrenze gehen."

War noch nie so leicht aufzusteigen wie in diesem Jahr

Nun kennen Sie die Erste Liga ja recht gut. Wie schätzen Sie sie heuer ein mit den derzeitigen Mannschaften?


Edi Stöhr: "Ich glaube, dass es noch nie so leicht war aufzusteigen wie in diesem Jahr. Insgesamt hat das Niveau in der Spitze abgenommen. Man sieht es daran wie schwer sich Altach in diesem Jahr getan hat, um in die Liga zu finden. Obwohl doch dort durchaus ein erkläglicher Teil an richtig guten Spielern in der Mannschaft ist. Man sieht es daran wie lange Austria Lustenau mit einer nicht gerade berauschenden Art Fußball zu spielen, doch Stabilität und dem ein und anderen individuellen Farbtupfer die Liga doch dominiert. Ich glaube, dass wenn die Austria in diesem Jahr durchzieht, und danach sieht es aus, dann werden sie den Aufstieg schaffen."


Und Sie mit Ihrer Mannschaft hoffentlich den Klassenerhalt. Viel Glück dabei und willkommen in Linz. Danke für das offene Gespräch.


von Herbert Pumann