Wie der SK Sturm Graz am Sonntagnachmittag vermeldet, verstarb fünf Tage vor seinem 81. Geburtstag Ivica Osim. Am Sonntag hätte das 113. Gründungsfest des SK Sturm Graz stattfinden sollen. Es wurde vom Vizemeister der ADMIRAL Bundesliga abgesagt. Ivan „Ivica“ Osim, ist einer der erfolgreichsten Fußballtrainer, die je in Österreich tätig waren, seine philosophische Herangehensweise an den Sport und das ständige Ringen um Frieden in seiner Heimat, brachten ihm den Ruf eines Weisen ein.

Sturms Jahrhunderttrainer - "Strauß von Zeljo"

Der frühere Fußball-Trainer und -Intellektuelle Ivan "Ivica" Osim ist am Sonntag überraschend verstorben. Das vermeldete Fußball-Bundesligist Sturm Graz unter Berufung auf Osims Familie, während der traditionellen Jahresfeier anlässlich der Gründung des Vereins am 1. Mai. Der "Strauß von Zeljo" starb wenige Tage vor seinem 81er.

Dem SK Sturm öffnete Osim (im Foto vor einem Jahr im Mai bei seinem 80. Geburtstag) neue Welten. Der am 6. Mai 1941 in Sarajevo geborene Bosnier holte mit den Steirern den ersten Meistertitel (1998) und verteidigte diesen ein Jahr später (1999). Man sprach damals von der "goldenen Generation" bei den "Blackies". Weitere Referenzen des Erfolgstrainers: Drei Cupsiege (1996, 1997, 1999) und drei begeisternde Teilnahmen an der Champions League (1998, 1999, 2000), die in Österreich bis heute unerreicht sind. Als einziger heimischer Club stieß Sturm in der Königsklasse als Gruppensieger in die Zwischenrunde vor (2000).

Sein Haus im Grazer Stadtteil St. Peter verließ Sturms "Jahrhunderttrainer" inmitten der CoV-Pandemie kaum, seine Mobilität war schon länger eingeschränkt – von einem Schlaganfall im Alter von 66 Jahren hatte sich vor allem sein Körper nie mehr ganz erholt. Zu seinem 80. Geburtstag im Vorjahr meinte seine Frau Asima, er schlafe zu viel. „Ich bin 80, und für 80 geht es mir gut“, entgegnete damals der Gatte. „Alles geht langsam, alles braucht seine Zeit.“ 

Kritischer Blick auf Fußball

Der Horizont des studierten Mathematikers und Philosophen war immer breit und doch auf ein im Schnitt 105 Meter langes und 68 Meter breites Rechteck konzentriert. „Jeder Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag“, sagte Osim mal, und danach lebte er. Er verfolge im TV „alles, was es im Fußball gibt." Obwohl er die fortschreitende Kommerzialisierung und Bestrebungen wie die Super League zutiefst bedauere. „Der heutige Fußball ist FIFA und Real Madrid. Alles geht ums Geld. Schade.“

Ivica Osim war Trainer, Philosoph, Jugoslawiens letzter Teamchef und Meistermacher von Sturm Graz. Er predigte und lebte Toleranz.

"Fußball ist praktisch das einzige Spiel, wo die besser Mannschaft verlieren kann"

Am 20. September 2000 hatte sich Sturm Graz auf die Reise zum größten Erfolg seiner Vereinsgeschichte gemacht, und Trainer Osim setzte zu einem seiner legendären Monologe an. Das 3:0 über Galatasaray Istanbul im ersten Heimspiel der Champions-League-Saison 00/01 machte das 0:5 gegen die Glasgow Rangers im ersten Auswärtsspiel vergessen. Es zeigte der Mannschaft, wozu sie dank ihres Motivators fähig war.

Legendär folgendes Zitat: "Wunder passieren von Zeit zu Zeit, diesmal uns. Die Spieler wollten zeigen, dass sie keine Klopfer sind und Fußball spielen können. Wir haben verdient gewonnen, Galatasaray hatte keine echte Chance. Fußball ist praktisch das einzige Spiel, wo die bessere Mannschaft verlieren kann. Fußball ist sehr leicht, und alles, was leicht ist, ist auch schwer. Wir haben gezeigt, wir können rivalisieren."

Weiteres Zitat: "Wir haben Glück, gegen solche Mannschaften schon gespielt zu haben, gegen Manchester, gegen Real, gegen Spartak Moskau. Da haben die Leute gesehen, wie man Fußball interpretieren kann. Spielerisch kann man einen von uns mit einem von denen vergleichen. Aber Fußball ist nicht Tennis, Fußball ist zehn gegen zehn. Bei uns haben manchmal nur sechs oder sieben partizipiert, das geht dann mathematisch nicht. Wenn du ständig beschäftigt bist, machst du irgendwann Fehler. Das war eine schöne Schule, eine Lektion, wie die Franzosen sagen. Vielleicht ist es gegen die großen Namen leichter geworden, von der Atmosphäre her. Ich bin kein Prophet."

"Haben fünf, die sind einbeinig"

Osim kam mit Sturm Graz damals in die 3. Saison der Königsklasse. Sein Freund Heinz Schilcher (Sturm-Manager), den er aus gemeinsamen Kickerzeiten bei Racing Straßburg kannte, hatte ihn nach Graz geholt, wo Osim mit seiner feinen Ironie und Bescheidenheit den Gegenpol zu Klubchef Hannes Kartnig gab. Osim holte Ivica Vastic aus Duisburg, und schon ging es dahin. Sturm holte 1996 erstmals den Cup, übersiedelte ins Schwarzenegger-Stadion, wurde 1997 erstmals Meister – mit 81 Punkten und einem Rekordvorsprung von 19 Zählern auf Rapid.

Osim damals: "Man muss sehen, was los ist. Jetzt fragen wir uns, wo wir stehen. Wir haben fünf, die sind einbeinig. Und die Spitzenteams in Europa? Das ist ein Vorteil, wenn alle zweibeinig sind. Du verlierst keine Zeit, du musst nie zittern, was los ist. Das kann man nicht komparieren. Gut, Salzburg hat damals gegen Ajax und Milan remisiert. Aber Salzburg hat das Spiel destruktiv gemacht, da haben neun verteidigt. Das kann ich nicht, das will ich nicht. Da verlier’ ich lieber, als ich spiele 0:0."

Eine "Nullnummer" gab es bei Ivica Osim & Sturm damals selten spielte Sturm selten. Beim 1. Auftritt in der Championsleague holten die Grazer in einer "Hammer-Gruppe" mit Real Madrid, Inter Mailand und Spartak Moskau einen Punkt. Im 2. Jahr (gegen Manchester United, Olympique Marseille, Croatia Zagreb) waren es schon sechs Punkte. Beim 3. Mal dann das 0:5, dem ein 3:0 folgte, dem ein 0:5 folgte. Am Ende hatte Sturm daheim gegen Galatasaray (3:0), Monaco (2:0) und Glasgow Rangers (2:0) gewonnen, ein 2:2 in Istanbul besiegelte den Gruppensieg.

„Der Größte von Sturm ist gegangen“

Sturm-Präsident Christian Jauk am Sonntag: „Der Größte von Sturm ist gegangen. Er war eine Persönlichkeit nicht nur im Fußball und im Sport, sondern weit darüber hinaus. Die Sturm-Familie trauert. Die Sturm-Familie wird Ivica Osim gebührend ehren."

Der Schwabe aus Sarajevo

Wegen seiner blonden Haare und deutschen Wurzeln wurde Ivica Osim "Svabo", der Schwabe, genannt. Ein Bürgerkrieg wurde zur Tragödie seines Lebens, auch weil seine Geburtsstadt Sarajevo zerstört wurde. „Ich kann mich nicht mehr freuen. Freude gibt es nach all dem, was in meiner Heimat passiert ist, nicht mehr. Wenn es nicht mehr funktioniert, bin ich auch bereit zu gehen“, sagte er damals.

Für Jugoslawien erzielte Osim acht Tore in 16 Teamspielen. Als Trainer wirkte er bei Željezničar Sarajevo, Partizan Belgrad, Panathinaikos Athen, Sturm und United Ichihara Chiba. Er war der letzte Teamchef Jugoslawiens, am Ende war er japanischer Teamchef.

Am 113. Geburtstag vom SK Sturm Graz

Ivica Osim hinterlässt seine Ehefrau und drei Kinder. Osim war Träger des Großen Ehrenzeichens des Landes Steiermark. Sein Tod am 1. Mai – gleichzeitig der 113. Geburtstag von Sturm – kam für viele trotz langjähriger Krankheitsgeschichte dennoch überraschend.

Auch von Rapid Wien gab es Anteilnahms-Bekundungen:

Foto: Richard Purgstaller