Die von Vizekanzler Sportminister Werner Kogler verordnete Abstandsregel im Fußball (ligaportal.at berichtete: Sportminister Kogler: "Keine Kleingruppen-Vorschriften im Amateurbereich!") sorgt allseits für Aufregung. Der Vorsitzende der VdF (Vereinigung der Fussballer), Gernot Zirngast macht in einem Facebook-Posting seinen Unmut bekannt. 

„Schön langsam frag ich mich schon, wer den Minister in Fussballfragen berät...? Bei all diesen Entscheidungen wäre es besser gewesen, gar nicht Fußball spielen zu lassen - weder Nachwuchs, Amateure noch Profis. Wobei - man macht im Ministerium eh keinen Unterschied zwischen dem Amateur- und dem Berufsfussballer...", so der Wortlaut seines Facebook-Postings. Gernot Zirngast, Vorsitzender der VdF, stellt sich im Interview den Fragen unseres Ligaportal.at – Reporters René Dretnik.

Was genau kritisieren Sie an der Entscheidung bzw. Empfehlung des Bundesministers?

Die Realitätsverweigerung – natürlich nicht in punkto des Virus, sondern allgemein zum Fußball. Ich glaube der Bevölkerung ist klar, dass wir alle Verzicht üben müssen und auch in der Sportausübung mit Einschränkungen zu leben haben. Aber wenn es dann in einer Branche wie dem Fußball zu Ungleichbehandlungen im Berufs- oder unrealistischen Empfehlungen wie dieser im Amateurfußball kommt, dann darf man sich nicht über Kritik wundern und sollte sich dem auch stellen. 

Die Fortsetzung der Saison in der Bundesliga hängt aller Voraussicht nach an einer Frage: Was passiert, wenn ein Spieler positiv auf das Coronavirus getestet wird? Das Gesundheitsministerium fordert eine Quarantäne für alle Kontaktpersonen, also die gesamte eigene Mannschaft, aber auch des gegnerischen Teams bei positiven Tests rund um Spiele. Wie sinnvoll ist das?

Eine ganze Mannschaft trotz ständiger Tests unter Quarantäne zu stellen, wenn ein einziger Spieler oder Betreuer positiv getestet wurde, führt alle Bemühungen der Bundesliga ad absurdum und man muss sich schon fragen, ob das Gesundheitsministerium überhaupt weiß, wovon es da spricht oder einfach nur Bedingungen stellt, ohne darüber nachzudenken, was das real bedeutet.

Wie wirkt sich dieser Entscheid auf die Spieler aus?

Wenn es dein Beruf ist, läufst du als Spieler derzeit Gefahr, dass deine Karriere ins Stocken gerät oder diese nicht mehr fortführen zu können, weil die Aussetzung der Meisterschaft die Vereine wirtschaftlich ruiniert. Egal in welcher Liga du spielst und egal was du verdient hast. Dazu sind die Trainingsmöglichkeiten am Platz nicht gegeben und den Spielern werden zusätzlich noch Steine in den Weg gelegt. Trotz Tests kein Mannschaftstraining, trotz Profidasein bei einem Bundesligaverein, in der 2.Liga oder in einer Akademie nicht einmal Kleingruppentraining und im Amateurbereich Auflagen, die keinen Sinn machen, den Fußballsport auszuüben. Vor allem auch für den Nachwuchs. Mit den derzeitig vorgegebenen Regeln verstehe ich alle Vereine und Trainer, die ein Training nicht aufnehmen.

Müssen Spieler sich jetzt sozialrechtlich Gedanken machen?

Absolut! Im Profibereich laufen Ende Mai rund 400 Spielerverträge aus. Da geht’s dann direkt von der Kurzarbeit in die Arbeitslose. Und kein Verein wird im Übermaß Interesse haben, Verträge abzuschließen ohne zu wissen, wann und wie es weitergeht. Und für viele Spieler sind die Einkünfte im Amateurbereich Bestandteil ihres Lebensunterhaltes, den sie daraus bestreiten müssen und deren Wegfall sie hart trifft – vor allem wenn es ihr einziges Einkommen war. 

Wäre es jetzt nicht an der Zeit, das derzeitig in Österreich vorherrschende Modell zu überdenken und eventuelle neue Rahmenbedingungen für alle Beteiligten zu schaffen?

Es wäre eine große Chance, die lange schon geforderte Trennung zwischen Amateurspieler und Arbeitnehmer zu vollziehen. Derzeit gibt es zu viele individuelle Regelungen und eine Mischform in der Entschädigung der Spieler, die für unklare Verhältnisse sorgt. Da helfen einzelne Maßnahmen wie das zuletzt groß gefeierte Gesetz zur weiteren Auszahlung der PRAE (Pauschale Reiseaufwandsentschädigung; Anm. d. Red.) ohne Reiseaufwand nichts. Wenn Vereine nicht finanziell unterstützt werden, dann können sie in der jetzigen Lage auch keine Trainings anbieten und schon gar nicht bezahlen. Und wenn Spieler geringfügig beschäftigt sind, aber trotzdem nicht in Kurzarbeit gehen können, dann bleiben zuerst die Vereine und dann die Spieler auf der Strecke.

Sind die Spieler oder Trainer in dieser Zeit genug abgesichert? Gibt es auch für die Fußballer finanzielle Unterstützung vom Staat?

Für alle Fußballer die über eine geringfügige Beschäftigung hinaus beim Verein angemeldet sind, gilt die Kurzarbeit und der sichert so den Vereinen und Spielern für einige Zeit das finanzielle Überleben. Viele Spieler und Trainer, die nach der Einstellung der Meisterschaft auf Anordnung des Vereins weiterhin ein Training ausgeübt haben um fit zu bleiben sind berechtigt, weiterhin eine PRAE zu bekommen – aber es fragt sich, ob der Verein sie auch zahlen kann. Der Anspruch jedoch ist ebenso gegeben wie für Spieler, die geringfügig beschäftigt waren. Wenn es da keine Hilfen vom Staat oder eine einvernehmliche Lösung mit dem Spieler gibt, sehe ich für viele Vereine eine große Insolvenzgefahr.

Wie ist die derzeitige Stimmung unter den Spielern, Trainern? Welche Sorgen sind Ihnen bekannt?

Durchwachsen! Allen fehlt der Fußball und sie schwanken zwischen Hoffnung auf Training, Zorn wegen diverser Entscheidungen der Politik und Trauer, weil eine Aufnahme des Spielbetriebs derzeit nicht absehbar ist. Da wären klare Vorgaben wie ein generelles Spielverbot eine weitaus bessere Orientierungshilfe gewesen. Aber man hat den Eindruck, dass bei den Entscheidungsträgern keinerlei Sachverstand im punkto der Ausübung unseres Sportes vorhanden ist und daher lieber herumgeeiert wird, anstelle sich professionell beraten zu lassen.

Steckbrief

Name: Gernot Zirngast

Alter: 55

Aktiver Spieler bei: FC Großklein, Sturm Graz, Flavia Solva, Mödling, Wiener Sportclub, GAK, Donaufeld, Oberwaltersdorf

Aktiver Trainer bei: Ziersdorf, Asparn/Zaya, Wieselburg, Klosterneuburg, Tulln, Kottingbrunn, Mistelbach, Kilb, Horn

Beruflicher Werdegang: Berufsfußballer, A-Lizenz-Trainer, Sportredakteur, Anzeigenmarketingleiter, aktuell Prokurist einer Sport GmbH und Vorsitzender der Spielergewerkschaft VdF

Hobbys: Lesen, Reisen, Golf, Familie

Lieblingsverein: früher GAK – aktuell Liverpool

Lieblingsspieler: früher Mario Zuenelli – aktuell C. Ronaldo

 

von René Dretnik/Ligaportal; Foto: Privat