Am 1. September 2023 hatte das Warten für Samuel Sahin-Radlinger ein Ende, nahm den vereinslosen Torhüter ADMIRAL Bundesligist FK Austria Wien bis Juni 2026 unter Vertrag, um ihn in der aktuellen Saison an den niederländischen Erstligisten Almere City FC zu verleihen. Wo für den langjährigen Rückhalt der SV Guntamatic Ried wieder Geduld angesagt ist. Für Coach Alex Pastoor, ehem. SCR Altach, ist der Niederländer Nordin Bakker die Nr. 1, sodass der 31-jährige Rieder in der Eredivisie noch nicht zum Einsatz kam, doch im Pokal. Wo der 1,92 Meter-Goalie bewies, dass er nichts verlernt hat. Ligaportal sprach mit ihm. 

Augen zu und ran an die Kugel! Schlussmann Samuel Sahin-Radlinger leistete am 21. Dezember in der 2. Rd. des niederländischen Pokal-Wettbewerbs seinen Beitrag, dass Almere City mit 2:1 auswärts beim Drittligisten VV Katwijk den Aufstieg schaffte. Bis Saisonende ist der Keeper von Austria Wien an die Holländer ausgeliehen.

"Habe gewusst, dass ich hergekommen bin, um Druck auszuüben auf die aktuelle Nr. 1"

Ligaportal: Hallo Samuel. 138 Tage bei Almere City. Wie hast Du Dich eingelebt, was sind Deine bisherigen Eindrücke, niederländische Mentalität inklusive und was vermisst Du an Österreich am meisten?

Samuel Sahin-Radlinger: Ja, jetzt bin ich doch schon eine Zeit lang hier. Zum Sportlichen kommen wir ja sicher noch. Im Großen und Ganzen habe ich mich sehr gut eingelebt in Holland. Es ist mir auch nicht so schwer gefallen, weil wirklich in der Mannschaft ganz coole Typen dabei sind, mit denen ich mich auf Anhieb gut verstanden habe.

Wir wohnen auch alle in Almere im Zentrum. Fünf, sechs Spieler sind meine Nachbarn. Da haben wir eine kleine Community. Von dem her passt es richtig gut. Was ich bisher bei all meinen Stationen im Ausland (Anm.: zuvor England, Norwegen, Deutschland) vermisse, ist natürlich die Familie, Freunde und zuguterletzt das gute heimische Essen.

Ligaportal: In der Liga spielt Nordin Bakker, im Pokal darfst Du ran. Beim 8:1-Sieg in Runde 1 vs. OJC Rosmalen warst Du womöglich noch nicht so gefordert, doch in Runde 2 vs. VV Katwijk. Wie war das Spiel für Dich und wie fällt Dein Leistungs-Feedback aus?

Samuel Sahin-Radlinger: Die Situation war von Anfang an keine leichte. Ich habe gewusst, dass ich hergekommen bin, um Druck auszuüben auf die aktuelle Nr. 1, den Nordin. Seit ich da bin, macht er es richtig gut. Er hat sich auch in der letzten Saison ein richtiges Standing erarbeitet. Durch die Playoffspiele, in denen er sensationell im Elfmeterschießen wohl vier Elfer gehalten hat.

Dadurch war klar, dass es schon einige Fehler nacheinander brauchen würde (lacht), damit da mal was zu meinen Gunsten passieren wird. Aber ich habe die Herausforderung angenommen und gebe jeden Tag im Training Vollgas. In meinen bisherigen Spielen habe ich super Leistungen gebracht. Das ist das einzige, was ich im Moment machen kann und was in meiner Hand liegt.

Es ist sicher nicht einfach, sich jeden Tag dann wieder so aufzuraffen. Aber ich bekomme ja täglich, wöchentlich ein sehr gutes Feedback. Das ist halt eine schwierige Phase als Tormann, wenn man auf der Bank sitzt und weiß, dass man trotzdem jeden Tag alles gibt. Das ist nicht einfach, doch ich bleibe dran.

"Mittlerweile spielt jede Mannschaft gegen uns ganz ungern"

Ligaportal: Im September war Almere City noch auf einem Abstiegsplatz, ab 30. September folgte dann eine Serie von sechs Spielen ohne Niederlage mit je drei Siegen und Unentschieden. Nach 17 Runden seid ihr auf Rang 12. Zum Jahresabschluss und Start 2024 gab es jeweils einen Dreier. Wie erklärst Du Dir den Turnaround bzw. Aufschwung und was ist von euch im Frühjahr zu erwarten?

Samuel Sahin-Radlinger: Generell hat es am Anfang der Saison eine gewisse Zeit gebraucht. Aber wie bereits gesagt, sind wir eine richtig coole Truppe. Das braucht natürlich seine Zeit, bis sich jeder miteinander findet. Mittlerweile spielt jede Mannschaft gegen uns ganz ungern. Wir spielen keinen attraktiven Tiki-Taka-Fußball, aber sehr effektiv. Wir lassen wenig zu, verteidigen als Mannschaft richtig stark.

Man hat es gegen Ajax Amsterdam gesehen, da haben wir Unentschieden gespielt. Wir sind für jeden Gegner sehr unangenehm. Vorne machen wir dann trotzdem auch immer wieder unsere Tore, auch wenn es oft aus Standards passiert in letzter Zeit. Das Zusammenspiel zwischen Trainer und Mannschaft ist richtig gut. Die Grundstimmung ist sehr positiv. Das ist für eine etwas kleinere Mannschaft, wie wir, in dieser Liga sehr wertvoll.

So kennt man Samuel Sahin-Radlinger aus der heimischen ADMIRAL Bundesliga, in der der fast 2 Meter-Mann in 85 Spielen durch sein Territorium flog. Davon 84x für die SV Guntamatic Ried von 2020 - 2023. Ein Mal für den SK Rapid! Unter dem damaligen Cheftrainer Zoran Barisic am 15. Dezember 2013, als der gebürtige Rieder im Spiel der Hütteldorfer vs. Wiener Neustadt (0:0) über 90 Minuten sein BL-Debüt gab und im Hanappi-Stadion ohne Gegentor blieb. 

"Ab Sommer gilt für uns Wien und die Austria"

Ligaportal: Wie ist seit 1. September und Deiner Verpflichtung bis 2026 bei Deinem Haupt-Vertragspartner Austria Wien der Kontakt zu den Verantwortlichen, allen voran Cheftrainer Michael Wimmer? Wirst Du definitiv diesen Sommer in Wien-Favoriten sein oder folgen da im Frühjahr noch mal Gespräche?

Samuel Sahin-Radlinger: Mit Michael Wimmer bin ich nicht in Kontakt, aber ich habe einen regelmäßigen Austausch mit Tormanntrainer Udo Siebenhandl und mit Orti (Anm.: FAK-Sportdirektor Manuel Ortlechner, ebenfalls gebürtiger Rieder). Was ich super finde, ist, dass sich die Tormanntrainer von Almere und der Austria schon connected haben und sich regelmäßig über meine Trainingsleistungen austauschen und die gemachten Spiele. 

Meine Pläne sind auf jeden Fall zu 100 Prozent so, dass es ab Juni ganz normal bei der Austria für mich los geht. Es ist auch familiär gut, zu planen. Mein ältester Sohn fängt im September mit der Schule an. Von demher freuen wir uns auch schon etwas planen zu können. Ab Sommer gilt für uns Wien und die Austria. Da freue ich mich auch schon richtig drauf.

"So große Unterschiede zu Österreich nehme ich nicht wahr"

Ligaportal: Bei der EM 2024 in Deutschland trifft Österreich in der Vorrundengruppe auf die Niederlande, wo Du derzeit lebst. Wie weit ist dieses Duell auch in Bezug auf Deine Person als Österreicher ein Thema in der Mannschaft, wird da schon geflachst und welche fußballerisch gravierenden Unterschiede siehst Du zwischen der niederländischen und österreichischen Beletage? 

Samuel Sahin-Radlinger (lacht): Für kleine Hänseleien ist es noch etwas zu früh. Wobei mit den Leistungen, die das österreichische Nationalteam zuletzt gebracht hat, glaube ich, dass es ganz schwierig wird für meine holländischen Mannschaftskollegen da irgendwelche Sprüche zu klopfen. Ich freue mich auf das Duell.

Was die fußballerischen Unterschiede zwischen den Ligen betrifft, so ist das schwierig. Über PSV Eindhoven brauchen wir nicht zu reden. Deren Serie ist natürlich in aller Munde. Das ist schon wirklich unglaublich mittlerweile, was sie für eine Qualität haben (Anm.: Als Liga-Leader 13 Punkte Vorsprung auf Trauner-Team Feyenoord nach Fabelserie von 17 Siegen in 17 Spielen, 59:7 Tore; im vergangenen Sommer Sieger in der CL-Quali vs. SK Sturm und im Frühjahr Achtelfinal-Gegner vom BVB).

Wenn man ansonsten mal die letzten zwei, drei Mannschaften raus nimmt, ist die fußballerische Qualität in der Liga schon sehr hoch. Ohne da die österreichische Bundesliga zu schmälern. Aber ich sehe es auch bei uns im Team. Wir haben wirklich sehr gute Qualitäts- und Einzelspieler. Körperlich geht es auch sehr zur Sache. Aber so große Unterschiede zu Österreich nehme ich nicht wahr.

Ligaportal: Danke! Alles Gute und hoffentlich dann im Sommer in Österreich bzw. Wien.

Das Interview führte Ligaportal-Redakteur Herbert Pumann

Jugendverein Samuel Sahin-Radlinger (geb.: 07.11.1992 in Ried im Innkreis) : SV Ried (1997 - 2009).

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