Der Profifußball hat sich auf ein markant hohes sportliches Niveau entwickelt. Es ist heutzutage ein viel schnelleres und körperlich aggressiveres Spiel geworden, mit höheren Anforderungen an die physische und mentale Fitness. Leider gehören auch Verletzungen und Ausfallzeiten zum Spielbetrieb. Mentalcoach Wolfgang Seidl wird in seinem neuen Gastbeitrag über Möglichkeiten der mentalen Arbeit im Reha-Prozess näher eingehen.

Kopf hoch, galt für Ousmane Diakité stets. Sein Stehauf-Vermögen könnte Fußball-Kollegen Mut machen. Der Mittelfeld-Motor des ADMIRAL Bundesliga-Überraschungs-Vierten kämpfte sich in jungen Jahren immer wieder zurück. Der Malier hat mit 23 Jahren bereits eine extreme Verletzungshistorie: Mit 19 Jahren im September 2019 Meniskusriss, Seitenbandriss im Knie und Kreuzbandriss! Zwei Jahre später im Dezember 2021 mit 21 Jahren der zweite Kreuzbandriss! Doch Defensivmittelfeldakteur Diakité "come back stronger"...

Verletzung annehmen und aktuellen Zustand akzeptieren

Immer wenn sich ein Spieler schwer verletzt, befindet er sich am Beginn in einer Art Schockphase. Er will dabei die Diagnose nicht wahrhaben und es fällt ihm schwer diese zu akzeptieren. In dieser Phase ist es entscheidend, dass sich der Spieler professionelle mentale/psychologische Unterstützung holt.

Nur wenn er seine Verletzung annimmt und den aktuellen Zustand akzeptiert, ist er auf allen Ebenen bereit in den langwierigen Erholungsprozess zu starten, und sich voll auf seine Genesung zu konzentrieren.

Professionelle mentale Unterstützung von Beginn an

Je nach Art der Verletzung bedeutet das oft Operation, monatelange Physiotherapie, lange Zeit ohne Matchpraxis. Die Rückkehr ist meist langwierig und verläuft in verschiedenen Phasen ab. Man kann sich als Außenstehender nur schwer vorstellen, was im Kopf eines Sportlers abläuft. Von Resignation, Existenzsorgen bis zur Frage, werde ich jemals wieder Leistung bringen können, ist alles dabei. Hier braucht der Spieler unbedingt mentalen Support.

Nach der Diagnose erfolgt eine Prognose, wie lange der Heilungsverlauf dauern wird. In dieser Zeit ist es wichtig, im Spieler keine falschen Hoffnungen zu wecken. Da der Heilungsverlauf individuell ist, sollte der Athlet mit Angabe eines Zeitfensters von/bis auf diese Zeit vorbereitet werden. An diesem Punkt müssen gemeinsam mit Spieler, Trainer, Vereinsführung und Therapeuten realistische Ziele und Zwischenziele gesetzt werden.

Verletzte Athleten brauchen im Reha-Prozess klar und eindeutig formulierte Ziele. Jeglicher Druck seitens von Trainern oder Vereinsführung auf den Spieler muss vermieden werden, weil dieser Druck den Heilungsverlauf negativ beeinflussen kann.

Heilungsverlauf durch mentales Training beschleunigen

Danach beginnt in der nächsten Phase die Reha. Hier führt der Spieler gemeinsam mit den Therapeuten ein Eigenleben, oft mit wenig Kontakt zu seinen Mitspielern. Das Thema „GEDULD“ muss hier großgeschrieben werden, weil die Schritte oft klein und mühsam sind und Spieler in dieser Phase oft ungeduldig werden.

Ein regelmäßiger Kontakt zum Mentalcoach/Sportpsychologen in dieser Phase unterstützt den Spieler, seine Motivation und Stimmung zu heben. Ganz wichtig aus mentaler Sicht ist hier eine positive Grundstimmung herbeizuführen und die Fortschritte in der Reha sichtbar zu machen. Auch ein regelmäßiger Kontakt vom Trainer zu seinem Spieler stärkt sein Vertrauen.

Zusätzlich kann mithilfe mentaler Techniken auch positiv auf den Heilungsverlauf eingewirkt werden.

Ein gutes Beispiel für mich ist Felix Gottwald. Für den erfolgreichsten österreichischen Olympiateilnehmer war mentales Training immer ein Fixpunkt in seiner Karriere. Im Jahr 2010 brach er sich bei einem Trainingssturz das Schulterblatt. Mithilfe von regelmäßigen und intensiven Visualisierungsübungen konnte er seinen Heilungsverlauf aktiv beeinflussen und verkürzen.

Bereits nach zwei Wochen stieg er wieder ins Training ein und bereits 3 ½ Wochen später bei seinem ersten Weltcup-Rennen stand er am Podest bereits ganz oben. Gottwald bestätigte immer wieder, wie wichtig die Gedanken und Einstellungen im Sport sind.

Kopftraining in der Zwangspause – eine Selbstverständlichkeit im Leistungssport

Während der Reha kann der Spieler bereits aktiv mit dem Training im Kopf beginnen, wo er mittels Visualisierungsübungen fußballspezifische Taktik- und Technikübungen trainiert. Es gibt wissenschaftliche Studien, die belegen, dass Sportler trotz Zwangspause sich dabei technisch verbessern können.

Diese Zeit sollte der Spieler aber auch nutzen, um seine mentalen Fähigkeiten zu trainieren und nach seiner Verletzung stärker denn je, auf den Platz zurückzukehren.

Vertrauen in den Körper zurückgewinnen

Nach der Reha-Phase kommt dann die Integrationsphase des Spielers. Am Beginn stehen lockere Läufe ohne Ball am Programm. Danach kommen erste leichte Passübungen. In der letzten Stufe, dem Mannschaftstraining wird der Spieler mit einfachen Passübungen langsam in die Mannschaft integriert. In dieser Phase braucht der Spieler die mentale Unterstützung, um Vertrauen und Sicherheit in seinen Körper aufzubauen.

Nur wenn er volles Vertrauen in seinen Körper hat, kann er ohne Ängste in Zweikämpfe gehen. Nach der Genesung ist ebenfalls wieder Geduld gefragt, weil am Beginn meist nur auf der Ersatzbank Platz ist und erste Einsätze nur ganz kurz ausfallen. Diese Situation zu akzeptieren und im Training trotzdem alles zu geben, um sich zu empfehlen, sind wichtige Eigenschaften. 

Wie sehr Spieler in den einzelnen Phasen mentale Unterstützung benötigen, hängt auch immer wieder von deren Persönlichkeit ab. Handelt es sich eher um den Typ „Grübler“ oder den Typ „Macher“. Der Grübler benötigt mehr Begleitung, um seine Zweifel und Ängste abzulegen. Der Macher muss in seiner Entwicklung manchmal eher gebremst werden.

Wie uns diese Beispiele zeigen, ist die mentale Arbeit auch in der Reha unerlässlich. Leider nutzen die meisten Spieler und Vereine in Österreich dieses Potential bis dato nur zu einem Bruchteil aus. Diese Arbeit gilt nicht nur im Profifußball, sondern auch Spieler in den tieferen Ligen oder Nachwuchsakteure sollten diese Art von Unterstützung in Anspruch nehmen.

Wolfgang Seidl

Wolfgang Seidl, ist selbstständiger akademischer Mentalcoach mit einer Praxis in der Steiermark und Wien. Er betreut als Coach Sportler, stressgeplagte Menschen, Mannschaften und Unternehmen. 

Der Schwerpunkt seiner Arbeit im Fußball liegt einerseits in der mentalen individuellen Betreuung von SpielerInnen, Trainern sowie in der Entwicklung und Beratung von Teams.


MANA4YOU

Wolfgang Seidl, MBA
Akademischer Mentalcoach
Dipl. Teamentwickler
HeartMath®Coach

Praxis Steiermark: Burgauerstrasse 49; 8283 Bierbaum
Praxis Wien: Cumberlandstrasse 102; 1140 Wien

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