Manuel Schüttengruber ist eine österreichische Schiedsrichter-Persönlichkeit. Neben seinem Vater (war auch internationaler Schiedsrichter) ist der schwedische Ex-FIFA-Referee Anders Frisk sein Vorbild. Der gelernte Elektriker hat es bis zum FIFA-Referee und außerdem viele Flugmeilen geschafft. Der 40-jährige, gebürtige Linzer war ein Schiedsrichter-Senkrechtstarter. Doch in der aktuellen Saison 2023/24 ist der Unternehmer von der Bundesliga-Bühne verschwunden. Ligaportal-Chefredakteur Herbert Pumann fragte nach und erfuhr offenkundige Einblicke bzgl. Karriere + VAR. Nachfolgend Teil 1 des Interviews - Teil 2 folgt morgen!

Schiedsrichter-Senkrechtstarter Schüttengruber: Der es vom Unterhaus-Unparteiischen auf seinem steilen Karriere-Weg bis zum FIFA-Referee geschafft hat, doch jetzt - zumindest auf dem Rasen - Schluss macht. Das OÖ-Cup-Finale soll sein 2000. Spiel an der Pfeife sein und seinen Abschluss nach 27 Jahren bilden.

Ende 2023 FIFA-Abzeichen als Schiedsrichter zurückgegeben, im Austausch das für VAR erhalten

LigaportalHallo Manuel. Du bist heuer noch ohne Einsatz in der ADMIRAL Bundesliga, hast nur jeweils ein Testspiel des LASK und FC Blau-Weiß Linz geleitet. Das letzte Match in Österreichs Fußball-Beletage war jenes beim 5:0-Erfolg von Austria Wien gegen Austria Lustenau im Europacup-Playoff-Finale der Vorsaison. Kündigt sich da ein Abschied von der großen Bundesliga-Bühne an?

Manuel Schüttengruber: Es ist ja kein Geheimnis mehr und hinter vorgehaltener Hand zu halten, dass ich mit Ende der Meisterschaft in dieser Saison meine aktive Karriere am Spielfeld beenden werde. Ich habe das ja international bereits Ende 2023 gemacht bzw. mein FIFA-Abzeichen als Schiedsrichter zurück gegeben. Schön ist jedoch, dass ich dann sozusagen im Austausch das FIFA-Abzeichen für den Video-Schiedsrichterassistenten erhalten habe. Dieser Position gehe ich auch weiterhin nach. Ich werde international sowohl für die FIFA als auch UEFA Spiele als Videoschiedsrichter machen. Auch für den ÖFB in der Bundesliga. Das bleibt alles bestehen.

Mein allerletztes Spiel wird jedoch mein 2000. am Feld werden, und zwar das oberösterreichische Cup-Finale. Es ist noch nicht klar definiert, wo und wann das sein wird, voraussichtlich im Mai, das entscheidet sich mit den nächsten Spielen. Darauf freue ich mich schon, da es sicher ein schönes Ereignis werden wird. Es ist ja eines der wenigen Spiele in Österreich, welches ich noch nicht geleitet habe.

Das ÖFB-Cup-Finale zwischen Red Bull Salzburg und dem SK Rapid hatte ich ja schon 2019. Da habe ich mir gedacht, in Abstimmung mit dem OÖ-Fußballverband, das oberösterreichische Cup-Finale als mein letztes Spiel meiner aktiven Karriere als Schiedsrichter nach 27 Jahren auszuwählen.

"Es kommt dort auch irgendwann der Schlendrian hinein"

LigaportalBevor wir auf deine erfolgreiche Karriere eingehen, sei nachgefragt...mit 40 Jahren ist man doch noch nicht im Schiedsrichter-Pensionsalter. Was sind die Gründe, dass du Schluss machst?

Manuel Schüttengruber: Das ist schnell auf den Tisch gelegt. Es wird beruflich einfach immer mehr, was auch für die Anforderung im Schiedsrichterwesen gilt. Beides zusammen verträgt sich nur schwer. D.h.: Die körperlichen Voraussetzungen, sowie das Drumherum werden im Sport immer weiter nach oben geschraubt. Dadurch ist wesentlich mehr Trainings- und administrative Tätigkeit notwendig. Aufgrund meines beruflichen Engagements ist dieses Pensum nebenbei nicht mehr so zu schaffen, ohne dass ich als Person völlig überbleibe und mehr und mehr extreme Abstriche in meinem ganzen Leben machen muss.

Ich war jetzt schon so lange in diesem Profitum, bin dort jetzt in meiner 17. Saison! Es kommt dort auch irgendwann der Schlendrian hinein. Wenn ich mental und körperlich nicht mehr 100 Prozent geben kann, dann ist es an der Zeit das Ganze zu beenden. Wenn ich meine eigens geforderten 100 Prozent nicht mehr geben kann, was sowohl Trainer als auch Spieler, Zuseher und alle Fußball-Liebhaber von mir verlangen können und ich ihnen auch schuldig bin, dann ist Schluß.

“Ein Leben aus dem Kalender”

Meine ganze Karriere war darauf aufgebaut, 100-prozentige Leistung zu geben, natürlich auch mit den menschlichen Fehlern, und wenn man das nicht mehr kann, muss man einen Schlussstrich ziehen. Es waren sehr schöne Jahre. Jahre, in denen ich sehr viel erleben durfte und konnte.

Natürlich waren es auch anstrengende Jahre. Jahre mit Höhepunkten und mit Niederlagen, Jahre mit viel Freude und auch Tränen. Aber im Gesamten betrachtet, Jahre, welche ich nie missen möchte!

Nicht vergessen werde ich die Vielzahl an Flügen durch die Auslandsspiele, die Flugplanungen, dazu die ganzen Seminare, Trainingseinheiten und Regenerationsplanung, usw. ...ein Leben aus dem Kalender, welches Tag für Tag durchgeplant und durchstrukturiert war. Ich merke beteits jetzt, dass es ruhiger wird und das ist auch definitiv gut so.

Manuel Schüttengruber hat am Samstag sein 50. Jubiläum als VAR beim ADMIRAL Bundesliga-Spiel der 20. Runde zwischen dem SCR Altach und TSV Hartberg (ab 17 Uhr, Ligaportal-LIVETICKER) und wird in der Zentrale in Wien-Meidling am Monitor sitzen.

"Aufgabe als VAR ist mental bzw. visuell sehr anstrengende Arbeit, weil man sehr viele TV-Bilder hat"

LigaportalBerufliche Erfordernisse hast du erwähnt. Du bist ein wahrer Business-Man, sehr ehrgeizig, fleißig und strukturiert. Gib mal ein Update, was du alles machst? Und zu Teil 2 der Frage...du wirst ja als VAR weiter im Einsatz sein. Wie zuletzt beim Gipfeltreffen in der ADMIRAL Bundesliga zwischen dem FC Red Bull Salzburg vs. SK Sturm Graz. Du hast bei der Einführung des VAR in Österreich auch als einer von zwei heimischen FIFA-Schiedsrichtern Pionierarbeit geleistet. Mittlerweile ist der VAR hier im Lande aus den Kinderschuhen entwachsen, wie siehst du seine Entwicklung?

Manuel Schüttengruber: Zur beruflichen Seite. Da ist zum einen die Fahrschule und zum anderen meine eigene Firma, die MANUELS, wo ich unter anderem als Gerichtssachverständiger, Hypnose-Coach, Mentaltrainer und Speaker tätig bin. Als Vortragenden kann man mich zum Thema Körpersprache und „Entscheidungen treffen“ buchen. Als Coach arbeite ich mit Leuten an der Behebung der Ursache ihrer Probleme im Bewegungsapparat. 

Was den VAR betrifft, bin ich fast jede Woche im Einsatz. Wenn nicht in Österreich in der Bundesliga, dann durchaus auch schon in der Griechischen Liga oder anderen Ligen, wo wir als österreichische Video-Schiedsrichter angefordert werden. Diese Tätigkeit macht mir auch richtig Spaß, weil es was Neues ist und wo man praktisch 27 Jahre Know How bzw. Erfahrung gut hinter dem Fernseher einbringen kann. Das wird meine Tätigkeit in Zukunft werden, was nicht mindernd der Schiedsrichtertätigkeit gegenüberzustellen ist, ganz und gar nicht.

Die Aufgabe als VAR ist mental bzw. visuell eine sehr anstrengende Arbeit, weil man sehr viele TV-Bilder hat. Nur weil es auf einem Fernsehbild ausschaut, dass ein Vergehen stattgefunden hätte, hast du dann zwei andere TV-Bilder, wo du auf einmal ins Zweifeln kommst, ob da wirklich ein Kontakt stattgefunden hat. Ein Problem ist hier die Bildtiefe, welche man aus einem TV-Bild oft gar nicht erkennen kann.

"Da kann es schon mal passieren, dass man pro Spiel 18 Kameras zur Verfügung hat"

Das ist mitunter auch der Grund warum so viele Kameras notwendig sind. Da kann es schon mal passieren, dass man pro Spiel 18 Kameras zur Verfügung hat, wo man dann schnellstmöglich die besten Bilder raussuchen muss und darf. Das ist doch ein hoher Anspruch. Vor allem an mich selbst, um diese Entscheidungen auch richtig und schnell zu treffen. Das ist nicht immer so einfach.

Man kennt es ja von Zuhause, wenn man ein Fußballspiel schaut. 50% sind für Strafstoß, 50% sind dagegen. Nur es muss halt einen geben, der eine Entscheidung trifft und das am Besten richtig und mit Zeitdruck.

Es wird auch in Zeiten vom VAR immer wieder Situationen geben, die nicht 100-prozentig auflösbar sind. Dann geht man auch mit dem Schiedsrichter am Feld oder man ist da eben anderer Meinung und holt ihn vor den Monitor. 

Prinzipiell, denke ich, entwickelt sich der VAR in Österreich sehr gut. Auch wir kommen mit immer mehr Einsätzen immer weiter in diese Materie hinein. Ich habe am kommenden Wochenende ein kleines Jubiläum mit 50 Einsätzen als VAR und das hilft schon sehr viel. Es ist das Gleiche wie am Feld oder wie generell in jeder Sportart und diversen Lebenssituationen, die man hat: Learning by doing. Je öfter ich was mache, umso mehr kann ich auch selbst daraus lernen.

"Es wird fast mehr diskutiert als davor"

Es geht uns Menschen hier ja allen gleich. Ich denke, dass sich auch deswegen die Fehlerquellen immer mehr minimieren. Dass es natürlich diskutable Entscheidungen geben wird, das wird sich auch mit dem VAR nicht ändern. Zum Glück, war es ja am Anfang die Angst der Fans, dass man dann nichts mehr zu diskutieren hat. Ich denke es ist durchaus das Gegenteil geworden. Es wird fast mehr diskutiert als davor.

Es wird immer Situationen geben, wo man zwei Meinungen haben kann und darf. Dann muss es einen Entscheidungsträger geben, da es sonst nicht weitergehen würde. Das ist wie auf der Straße der Polizist, der auch nach seinen Gesetzesvorgaben handelt, welche zugegebener Maßen nicht ganz so interpretierbar wie manche Fußballregeln sind.

"Das erwartet das Wirtschaftsprodukt Fußball"

Auch wenn das den Leuten oft nicht immer passt und der VAR als Schuldiger dargestellt wird, gilt es das Spiel so fair wie möglich zu gestalten. Meine Aufgabe ist ja auch nicht Sympathieträger Nummer eins zu werden, sondern die Regeln bestmöglich umzusetzen. Das erwartet das Wirtschaftsprodukt Fußball.

Es geht hier um Arbeitsplätze und schaffende Personen. Früher war der Referee der einzige, der nicht wusste, dass seine Entscheidung falsch war. Auch wenn, konnte er es nicht mehr ändern. Bei entscheidenden Spielen konnte das durchaus fatal sein. Darum halte ich die Aufgabe eines VAR sehr wichtig. Verbesserungen gibt es immer und überall, Stillstand ist jedoch Rückschritt. 

Mittwoch Teil 2 des Interviews

In Teil 2 des Interviews äußert sich Manuel Schüttengruber über die Veränderungen im Schiedsrichter-Business der vergangenen 27 Jahre im Profi- und Amateurbereich, Unterschiede auf nationaler und internationaler Ebene, was er Schiedsrichter-Talenten auf den Weg geben möchte und Highlights samt Anekdote wie er einen SK Sturm-Spieler zum Minister "aufwertete"....

Fotocredit: Harald Dostal/www.sport-bilder.at