Die ganze Welt schaut von 12. Juni bis 13. Juli gespannt auf die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien. Trotz großer Proteste im Vorfeld des Turniers, wird das Ereignis zum großen Spektakel. Doch angesichts der Umstände vor Ort, wäre es besser für den Ruf des südamerikanischen Landes, mehr in die Rechte seiner eigenen Bevölkerung, als in große Sportevents (WM 2014, Olympia 2016) zu investieren. 2007, als das Land den Zuschlag für die Austragung bekommen hatte, erfüllte kein brasilianisches Stadion die FIFA-Anforderungen für Fußball Weltmeisterschaften. Mindestens 2,53 Milliarden Euro wurden allein in die Modernisierung und in den Neubau der Spielstätten gesteckt (Insgesamt mindestens 8,38 Milliarden). Ein schmuckes Kästchen mitten im Urwald (Manaus), das nach der WM in die Drittklassigkeit geschickt wird und erhebliche Sicherheitsmängel auf den Baustellen inklusive. Die WM-Städte würden „in Spielwiesen für das Großkapital verwandelt“, beklagte sich UN-Berichterstatterin Raquel Rolnik bereits 2011. Nachhaltig sind dabei nur die wuchernde Korruption und die Kurzsichtigkeit des internationalen Fußballverbandes.

 

Die brasilianische Fanszene in der Krise

Diese und weitere Probleme führen im Vorfeld der WM auf den Tribünen zu Konsequenzen. Viele Fangruppen fühlen sich durch veränderte Stadien (die sehr beliebten, weil billigen Stehplätze wurden abgeschafft), neue Gesetze und Konflikte mit Machthabern, Polizei und Medien stark unter Druck gesetzt. Die sogenannten „Torcidas Organizadas“, also die organisierten Fangruppen, die für die Unterstützung sorgen und in den großen Fußballstädten Zehntausende Mitglieder haben, dominieren in Brasilien auf den Rängen. Sie sind gut und hierarchisch organisiert, besitzen eigene Büros und betreiben ein florierendes Merchandise-Geschäft. Von ihren eher subkulturellen Anfängen haben sich die meisten Torcidas inzwischen weit entfernt.

Zurzeit kämpfen sie auch um ihre und des Fußballs Zukunft am Zuckerhut. Die Regeln für Fanverhalten sollen im Auftrag der Präsidentin diskutiert und überarbeitet werden. 2010 wurde eine Änderung des Fanstatuts verabschiedet, nach der Gruppen für Ausschreitungen belangt werden können, in die Menschen verwickelt sind, die Shirts der jeweiligen Fangruppen tragen. Shirts, die in den Shops für jedermann erhältlich sind. Unterm Strich leidet aber die friedselige Fankultur unter den Regeln, den modernen Stadien und den hohen Eintrittspreisen (eine Karte für umgerechnet 20 Euro – ein Zehntel des Mindestlohns in Brasilien). In Folge dessen findet ein Austausch des Publikums statt. Die Marke Fußball wird weiter darunter leiden und die ohrenbetäubende Kulisse und das farbenfrohe Ambiente womöglich der Vergangenheit angehören.

Keine Lösung in Sicht

Auf der Tagesordnung steht auch immer wieder das Thema Gewalt, das in Brasilien seit der WM-Vergabe immer größerer Bedeutung zugemessen wird. Der Fußball ist dabei aber nur das Spiegelbild der Gesellschaft. 50 Tote in einer Woche allein in Sao Paolo sind keine Seltenheit. Auf die Gewalt, auch im Stadion, gibt es derzeit jedoch noch keine adäquate Antwort. In der letzten Meisterschaftsrunde kam es zu Ausschreitungen auf den Rängen im Spiel Atletico Paranaense gegen Vasco da Gama, obwohl das Spiel bereits aufgrund einer Stadionsperre in einen anderen Bundesstaat verlegt worden war: Das Spiel im südbrasilianischen Joinville wurde ganz einfach ohne Fantrennung ausgetragen! Unterdrückung, gar die Verbannung der Torcidas aus den Stadien und die Eliminierung dieser Kultur wird keine Lösung sein. Fußball ist in Brasilien nicht nur ein Wettbewerb zwischen zwei Mannschaften. Vielmehr ist es ein Ritual, das von den Anhängern dramatisiert wird. Die Stimmung der Fans kennt dabei alle Extreme. Von Unschlagbar bis zu „unter aller Sau“. Die Spieler und vor allem ihr Spielstil, entscheiden maßgeblich.