Der frühere FIFA-Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer sieht die Einführung der halbautomatischen Abseitserkennung bei der Fußball-WM kritisch. Er befürchte "durch immer mehr Technik die schleichende Entmachtung der Unparteiischen", schrieb Kinhöfer in seiner BamS-Kolumne: "Wozu werden wir in Zukunft noch Schiedsrichterassistenten an den Linien brauchen, wenn sie nicht mehr über Abseits entscheiden werden? Brauchen wir irgendwann überhaupt noch Referees im eigentlichen Sinne, wenn eh alles technisch geprüft und vermessen wird?"

Thorsten Kinhöfer kritisiert Ersatz von Linienrichtern (Foto: FIRO/FIRO/SID)
Thorsten Kinhöfer kritisiert Ersatz von Linienrichtern
Foto: FIRO/FIRO/SID

Bei der WM-Endrunde bekommen die Unparteiischen die halbautomatische Abseitserkennung als Hilfsmittel erstmals an die Hand. Dabei werden bei jedem Spiel zwölf sogenannte Tracking-Kameras und ein Sensor im Ball eingesetzt, die gemeinsam eine 3D-Animation erzeugen. Die Daten sollen 29 Stellen am Körper der Spieler und den exakten Zeitpunkt der Ballabgabe wiedergeben. Innerhalb von fünf Sekunden wird das Signal beim Videoschiedsrichter erwartet. Bis zur endgültigen Entscheidung nach einer Überprüfung durch den VAR sollen lediglich 25 Sekunden vergehen. Danach soll die Animation auf dem Videowürfel im Stadion und im TV zu sehen sein.

Kinhöfer missfällt in diesem Zusammenhang die grundsätzliche Entwicklung bei den Schiedsrichtern. "Wir sehen ja heute schon, dass die Schiris auf dem Feld sich zum Teil kaum noch trauen, klare Entscheidungen zu treffen, weil im Hintergrund der VAR checkt und im Zweifel den Mann auf dem Feld korrigieren kann", schrieb der 54-Jährige: "Wir kommen dann immer weiter weg vom souveränen Spielleiter und hin zum Vollstreckungsgehilfen der Technik."

 

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