In die Debatte über einen Entschädigungsfonds für verletzte oder getötete Fremdarbeiter auf Baustellen für die Fußball-WM in Katar (20. November bis 18. Dezember) kommt offenbar Bewegung. Gut fünf Wochen vor Beginn des Turniers signalisierte ein Spitzenfunktionär des Weltverbandes FIFA bei einer Anhörung im paneuropäischen Europarat in Straßburg "Interesse" der WM-Macher.

FIFA zeigt Bereitschaft zu Entschädigungsfonds (Foto: AFP/SID/FABRICE COFFRINI)
FIFA zeigt Bereitschaft zu Entschädigungsfonds
Foto: AFP/SID/FABRICE COFFRINI

"Es ist definitiv etwas", sagte der stellvertretenden FIFA-Generalsekretär Alasdair Bell laut der Nachrichtenagentur AFP vor zwei Rats-Ausschüssen, "das wir vorantreiben wollen."

Bells Stellungnahme ist in der seit Wochen international mit großer Intensität geführten Diskussion der erste Hinweis auf eine positive Bewertung der Initiative durch die FIFA. Bislang hatte der Weltverband die zum Teil vehementen Forderungen nach seiner Beteiligung an dem millionenschweren Fonds unkommentiert gelassen.

"Es ist wichtig zu versuchen, dass jeder, der durch seine Teilnahme an der Weltmeisterschaft eine Verletzung erlitten hat, in irgendeiner Weise entschädigt wird", erklärte Bell: "Es ist nicht die einfachste Sache, es einzurichten, es erfordert Überlegung, Struktur, Regeln und Führung."

Über seine Aussagen zum Fonds hinaus pries Bell während seiner Anhörung die WM-Gastgeber für Verbesserungen der Menschenrechte in ihrem Land. "Die WM in Katar ist das erste sportliche Großereignis mit Verbesserungen und bleibenden positiven Auswirkungen im Bereich der Menschenrechte. Deswegen muss man nicht in Triumphgeheul ausbrechen, aber es ist auch ein nachprüfbarer Fakt."

Bell betonte vor Kultur-, Sozial- und Nachhaltigkeitspolitikern der Parlamentarischen Versammlung des von 46 Ländern beschickten Europarates einmal mehr die schon von Katars offiziellen Stellen zuletzt wiederholt herausgehobenen Veränderungsprozesse. Dabei wies der Brite auf seit Jahren angemahnte Fortschritte für Fremdarbeiter im Wüstenstaat hin.

"Es gibt einen konkret greifbaren Entwicklungsprozess in Katar. Die Arbeitsbedingungen an den WM-Schauplätzen setzen Maßstäbe für Katar. Durch die Reformen haben 2020 über 250.000 Menschen ihren Arbeitsplatz wechseln können, 300.000 Arbeiter profitierten von Mindestlöhnen", beschrieb Bell die Situation im Golf-Staat aus FIFA-Sicht und unterstrich die Anerkennung für die katarische Regierung durch internationale Arbeiter- und Gewerkschaftsorganisationen.

Die vermeintlich positive Entwicklung schilderte Bell als direkte Folge eines verstärkten FIFA-Einsatzes für Menschenrechte. "Wir haben bei der FIFA das Profil der Menschenrechte geschärft", sagte Bell, "und das hat in unserem Austausch mit den katarischen Behörden und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen gleich zu positiven Übertragungeffekten geführt."

Kritiker prangern seit langer Zeit Katars Defizite in Menschenrechtsfragen an. Mehrere Medien berichteten schon vor Jahren über viele Tote auf WM-Baustellen durch ausbeuterische Arbeitsbedingungen in Katar.

 

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