Frühere FIFA-Schiedsrichterin Prammer will nach Stillstand „Aufbruch“ forcieren!

Im Juni wurde die Leondingerin Mag. Agnes Prammer zur neuen Zuständigen für den Teilbereich Frauen in der Schiedsrichterkommission des ÖFB bestellt. Das LIGAPORTAL befragte die leidenschaftliche Sportlerin zu ihren Plänen:

 

LIGAPORTAL: Frau Mag. Prammer, herzliche Gratulation zu Ihrer neuen Aufgabe, mit Ihnen als ehemaliger Spitzen-Schiedsrichterin hätten Österreichs weibliche Referees keine kompetentere und einsatzfreudigere „Vorsitzende“ erhalten können, oder?

Mag. Prammer: „Danke für die Vorschusslorbeeren! Ich denke, dass wir gerade unter den ehemaligen Spitzenschiedsrichterinnen mehrere sehr kompetente Frauen haben. Deshalb werde ich mich auch bemühen, ein Team zusammen zu stellen, mit dem wir es schaffen, dieses Wissen und die Erfahrung sozusagen an die nächste Generation weiterzugeben“.

Will mit Tatkraft und Teamwork und Optimismus starke Impulse setzen: Mag. Agnes Prammer (Fotocredit: ÖFB/Joseph Estl)

Wo sehen Sie den größten Aufholbedarf, warum hinkt die Entwicklung bei den Spielleiterinnen hinter der allgemeinen Aufbruchstimmung im Frauenfußball nach?

„Man darf nicht vergessen, wie lange im ÖFB schon daran gearbeitet wurde, den Frauenfußball dorthin zu bringen, wo er jetzt ist. Dazu brauchte es zunächst das klare Bekenntnis und dann auch den konsequenten Aufbau und Ausbau der Strukturen. All das hat bei den Schiedsrichterinnen erst viel später begonnen, dementsprechend hinken wir hier natürlich noch hinterher. Die Aufbruchstimmung ist aber jedenfalls auch hier deutlich spürbar“.

Welche Fördermöglichkeiten stehen Ihnen als Einzelperson überhaupt zur Verfügung?

„Das Gute ist, dass ich ja nicht als Einzelperson werkeln muss. Der ÖFB hat sich klar deklariert, dass es wichtig ist, dass auch Österreichs Schiedsrichterinnen auf internationalem Topniveau gut vertreten sein sollen. Dementsprechend gibt es auch viel Unterstützung durch die hauptamtlichen MitarbeiterIinnen beim Verband und die ehrenamtlichen Frauenreferenten in den Landesverbänden“.

Nächste „Provokation“ , entschuldige mich aber sofort: Ihr Gatte Dr. Thomas Prammer ist Vorsitzender der o.Ö. Schiedsrichterkommission, inwieweit erleichtert das Ihre Zusammenarbeit mit dem OÖFV und weiters auch mit den übrigen Landesverbänden?

„Kurze Wege und blindes Verständnis erleichtern natürlich Vieles, so auch hier. Aber auch mit den anderen Frauenreferenten der anderen Landesverbände bin ich in sehr gutem und regelmäßigem Austausch. Das ist sehr wichtig, denn die Gewinnung und Grundausbildung der Schiedsrichterinnen liegt ja in der Zuständigkeit der Landesverbände. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir uns hier über die jeweiligen Erfahrungen und Erfolge austauschen und gemeinsame Strategien und Standards erarbeiten“.

Über wie viele weibliche Schiedsrichterinnen verfügen derzeit Oberösterreich und das gesamte Bundesgebiet, wo liegen Ihre Ziele?

„Aktuell gibt es in ganz Österreich nur 58 Schiedsrichterinnen, davon allerdings 14 in Oberösterreich. Auch bei uns sind – wie in vielen anderen Sportarten auch – während der pandemiebedingten Zwangspausen viele Aktive weggefallen. Sowohl Frauen als auch Männer. Deshalb ist es zunächst einmal das Nahziel, generell die Zahl der SchiedsrichterInnen wieder zu erhöhen. Ich kann mir vorstellen, dass es gelingen kann, dass der Zuwachs bei den Frauen relativ gesehen höher ist als der bei den Männern“.

Die Frauen-EM in England hat -vorübergehend??- einen Hype in Sachen „Frauenfußball“ erzeugt, begünstigt das vielleicht den Zugang an Aspirantinnen für die Ausbildungskurse?

„Zunächst einmal denke ich nicht, dass das ein vorübergehender Hype ist. Es ist vielmehr ein weiterer Höhepunkt auf einem kontinuierlich ansteigenden Weg. Dahinter steht beständige und konsequente Arbeit und viel Kommittent von Seiten des Verbandes. Aktuell wird der Boom dazu führen, dass noch mehr Mädchen und Frauen anfangen, Fußball zu spielen. In einem zweiten Schritt müssen wir es dann schaffen, diese auch nach der aktiven Zeit in den Vereinen zu halten und sie als Trainerinnen, Funktionärinnen und natürlich auch als Schiedsrichterinnen zu gewinnen“.

Was wünschen Sie sich in Sachen „Werbung“ von den Medien?

„Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir mehr Berichterstattung wie diese hier wünschen – über das Schiedsrichterwesen allgemein. Darüber, worum es bei diesem Hobby geht, was es zu bieten hat, was man erreichen kann. Wenn über Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter immer nur im Rahmen von umstrittenen Entscheidungen berichtet wird, macht das diese Aufgabe natürlich nicht besonders attraktiv“.

Wie würden Sie einer jungen Frau dieses „Hobby“ schmackhaft machen: sinnvolle Freizeitbeschäftigung, meist in frischer Luft, Fitness, Kennenlernen sehr vieler SportlerInnen, Reisen in ganz Österreich und bei dementsprechender Bewährung im Ausland?......

SchiedsrichterIn zu sein ist aus vielen Gründen ein ganz besonderes Hobby. Es erfordert gleichzeitig körperliche Fitness und höchste Konzentration. Gerade deshalb ist es aber auch eine ganz besondere Lebensschule. Man lernt, in schwierigen Situationen Entscheidungen zu treffen, sie durchzusetzen und mit unterschiedlichen Persönlichkeiten umzugehen. Obwohl man am Platz EinzelkämpferIn ist, lernt und trainiert man gemeinsam und tauscht Erfahrungen aus. Dadurch einsteht eine ganz besondere Gemeinschaft. Und für viele bietet die Schiedsrichtertätigkeit auch die Möglichkeit, in Ligen zu kommen, die man als Spieler oder Spielerin womöglich nicht hätte erreichen können“.

Sara Telek bot bei der EM in England ausgezeichnete Leistungen, sehen Sie Österreich angesichts der glänzenden Ergebnisse des Nationalteams bei den letzten 2 Europameisterschaften bei den Schiedsrichterinnen nicht unterrepräsentiert?

„Man muss das im Verhältnis dazu sehen, wie lange im Frauenfußball schon konsequent daran gearbeitet wurde, dieses Niveau zu erreichen. Da sind wir bei den Schiedsrichterinnen einfach noch nicht so weit, so ehrlich muss man sein. Sara ist eine ausgezeichnete Assistentin und sie ist zu Recht im Kreise der Besten Europas mit dabei. Sie musste sich allerdings – wie die meisten unserer Spitzenschiedsrichterinnen – alles, was sie dazu brauchte, um an die Spitze zu gelangen, hartnäckig erkämpfen. Das ist genau das, was wir ändern müssen. Wir brauchen Strukturen, die es uns ermöglichen, Talente zu entdecken und gezielt zu fördern“.

 

Was sollte eine Interessentin für die Spielleitung Ihrer Ansicht nach in erster Linie mitbringen? Fußball-Leidenschaft? sollte sie selbst gespielt haben? Gerechtigkeitssinn?...........

„Die Liebe zum Fußball ist natürlich schon mal eine gute Grundlage. Wichtig sind aber auch Fitness, Lernbereitschaft, Gerechtigkeitssinn und der Wille, an sich selbst zu arbeiten“.

 

Hat nach Ihrer eigenen Erfahrung eine Frau als Schiedsrichterin Vorteile bei der Leitung eines Frauenspiels?

„Diesen Eindruck habe ich eigentlich nicht“.

 Mit Iris Knienieder agiert eine aktive Spitzenfußballerin sehr erfolgreich als Schiedsrichterin, sollte eine Werbekampagne deshalb bei den Aktiven ansetzen?

„Ja, auf jeden Fall. Genau wie bei den Männern die meisten Schiedsrichter aktive oder ehemalige Spieler sind, wird es in Zukunft auch bei den Frauen so werden. Dazu ist es natürlich notwendig, vermehrt Werbung unter den Spielerinnen zu machen“.

Angesichts Ihres übervollen Terminkalenders möchte ich mich für Ihre Bereitschaft zu diesem äußerst informativen Gespräch ganz herzlich bedanken!

Dr. Helmut Pichler

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