Kolumne: Quo vadis Spitzenfußball?

Ab sofort informiert UEFA-A-Lizenztrainer Franz "Franky" Hofer exklusiv auf unterhaus.at in seiner Kolumne "Franky´s Einwurf" über aktuelle Themen und das Geschehen rund um den Fußball. Der derzeitige Cheftrainer von Landesligist St. Martin wird dabei auch das eine oder andere heiße Eisen anfassen und sich auch nicht scheuen, den Finger in die Wunder zu legen. In seiner ersten Kolumne beschäftigt sich der 42-jährige Fußballexperte mit den Anforderungen im Spitzenfußball und belegt diese unter anderem mit hoch interessanten statistischen Werten.


Ich bin sicher keiner, der die Fußballweisheit mit Löffeln gegessen hat. Ich kämpfe jedoch nun schon über 25 Jahre in denen ich als Trainer in den verschiedenen Alters- und Leistungsstufen durch Oberösterreich toure, um das Ansehen beziehungsweise einen besseren Ruf unseres Fußballs und deren Protagonisten in der Gesellschaft und den sportlichen Anschluss an das Niveau der europäischen Mittelklasse nicht ganz zu verlieren.

Mein Motto war dabei immer "nicht nur gescheit reden, sondern auch selbst etwas tun". Viele kleine Rädchen müssen im großen Fußballuhrwerk zusammenlaufen, damit das "Werkl" richtig läuft. So sehe ich auch meine Funktion im oberösterreichischen Fußballnetzwerk. Ich habe mit meinen bescheidenen Mitteln immer versucht, die Ärmel hochzukrempeln und einfach mitzuhelfen. Durch meine Unabhängigkeit gegenüber jeglicher Fußballmacht war es mir immer möglich, auch kritisch zu hinterfragen, denn das Bessere ist der Feind des Guten.

In diesem Sinne habe ich mich auch der Anfrage der unterhaus.at-Redaktion genähert und möchte in dieser Kolumne beleuchten, hinterfragen, informieren beziehungsweise einfach meine Gedanken niederschreiben, ohne dabei den Anspruch auf die absolute Fußballweisheit zu stellen. Man(n) sollte sich ja nicht zu ernst nehmen, schon gar nicht in der teilweise oberflächlichen, schnelllebigen Fußballszene. Denn vielleicht ist ja das Jetzt nur der letzte Stand des Irrtums?

Nun aber zum eigentlichen Thema: Quo vadis Spitzenfußball?

Heute möchte ich gerne meine Gedanken und einige statistische Daten zum Niveau des euopäischen Spitzenfußballs einbringen. Das spanische Nationalteam (auch der FC Barcelona) hat in der jüngsten Vergangenheit den fußballerischen Level auf ein für mich vorher schwer vorstellbares Niveau gehoben. Mit dem Kombinationsfußball, der mich persönlich an das Aufbauspiel im Handballsport erinnert, wobei die Bewegungssicherheit und Genauigkeit der Hand gegenüber dem Fuß ungleich höher ist, haben sich die Iberer den Topplatz im Weltfußball gesichert. Ballstaffeten über zehn Stationen, das Spiel mit maximal zwei Berührungen, um den Gegner müde zu machen, sind dabei eher Regel als Ausnahme.

Hier nun einige statistische Details des Erfolgsfußballs beziehungsweise der europäischen Top-Ligen. Denn wer sein Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden.

01Bekanntlich dauert ein Spiel 90 Minuten beziehungsweise so lange bis der Schiedsrichter abpfeift. Während dieser Zeit legt ein durchschnittlicher Spieler ungefährt 10.000 Meter zurück. Und doch besitzen die einzelnen Akteure den Ball nur maximal drei Minuten. Also 87 Minuten ist das Spiel ohne Ball gefragt. Fast alle Spitzenteams agieren mit einer Viererabwehrkette, in einer ballorientierten "Mann im Raum"-Deckung, wobei die Kompaktheit sich auf einen Bereich von 50 mal 40 Metern erstreckt und die Zahl der nominellen Stürmer von eins bis drei variiert.

02Spanien spielt rund 600 Pässe pro Spiel, wobei erst nach durchschnittlich sechs Querpässen in die Tiefe gespielt wird. Nicht so spielstarke Mannschaften beziehungsweise Konterteams spielen halb so viele Zuspiele. Weltklassespieler berühren den Ball pro Ballbesitz durchschnittlich zwei Mal und haben dabei eine Ballbesitzzeit von 1,1 Sekunden. In der deutschen Bundesliga ist diese Zeit fast doppelt so lange. Für die österreichische Bundesliga sind mir keine Zahlen bekannt. Analysiert man die 90 Minuten, so zählt man mittlerweile an die 40 langen Diagonalpässe, so genannte Wechselpässe. Die Anzahl der Fehlpässe bei rund 60 Zuspielen ist dabei verschwindend gering, obwohl der Risikopass in die Tiefe auch gespielt werden muss.

03120 Mal steht man dem Gegner Aug in Aug im Zweikampf gegenüber und dazu kommen noch 45 Kopfballduelle. Interessanterweise liegt in der spanischen Primera Division diese Zahl nur bei 31 Kopfballduellen und gar nur 85 Zweikampfsituationen. Es werden dabei in den 90 Minuten an die 30 Fouls begangen.

04Die schnellsten Spieler sind ungefähr 35 km/h schnell und legen dabei nur rund 200 Sprintmeter zurück. Alle 90 Sekunden passiert ein Sprint, der eine Dauer von zwei bis vier Sekunden hat. Dabei sind 50 Richtungswechsel notwendig. 50 Prozent der Sprints sind maximal zehn Meter lang. Während eines Spiels finden also 1000 bis 1400 Kurzzeitaktionen statt, die sich alle vier bis sechs Sekunden ändern.

Diese natürlich unvollständige Auflistung von verschiedenen Fakten zeigt, wie komplex mittlerweile die inhaltliche Thematik im Fußball ist. Aus diesen Fakten noch die richtigen Schlüsse für eine qualitativ fundierte Ausbildung unserer Nachwuchskicker zu ziehen, scheint auch kein leichtes Unterfangen. Obwohl in Österreich die Qualität der Nachwuchsleistungsfußballer, nicht nur in den Akademien, stark gestiegen ist, MÜSSEN noch mehr finanzielle, personelle und materielle Ressourcen freigelegt werden, um den Anschluss nicht ganz zu verlieren.

Wenn man sieht, was in europäischen Spitzenländern in diesem Bereich alles passiert, so ist zu befürchten, dass wir auf der Stelle treten. Berichte von Legionären, wie von meinem ehemaligen Schüler Toni Vastic, oder meine Hospitation bei den Glasgow Rangers in Schottland, eröffnen einem da neue Dimensionen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich. Die Ärmel hochkrempeln in der Umsetzung am Platz ist verstärkt gefragt, um nicht im Nachwuchs wieder ins Hintertreffen zu gelangen.

Franz Hofer

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