Kommunikation versus sportliche Ansprüche - wie im Leben, so im Verein

Nach dem Exklusivbericht zu den Vorkommnissen beim SV Flavia Solva liefen in unserer Redaktion die Telefone heiß. Einige haben uns zur Berichterstattung gratuliert, andere waren sogar nicht mit der Story einverstanden. Einen Leserbrief möchten wir euch aber nicht vorenthalten. Autor, Online-Portalbetreiber und Fußball-Enthusiast Michael Jagersbacher mit philosophischen Gedanken zum kürzlichen Vorfall beim SV Flavia Solva.

jagersbacher michael mazurek

Michael Jagersbacher: Philosoph, Autor und Fußballfan aus Leidenschaft

Die jüngsten Vorfälle rund um meinen Herzensclub Flavia Solva  haben mich dazu bewogen, einen Artikel zu verfassen, der weit über die Vorfälle von Flavia hinausreicht und wohl auf viele Vereine zutrifft. Es geht um das Thema Zielsetzung und sportliche Ansprüche. Ist es vielleicht sogar die Schlüsselaufgabe der Vereinskommunikation, diese nach innen und außen in Einklang zu bringen? Ein paar philosophische und persönliche Gedanken von mir zu dem Thema.

Kontinuität und Ungeduld

Wer Fußball spielt, verfolgt einen Wettbewerbsgedanken. Er will sich sportlich messen und hat den Ehrgeiz, sich ständig zu verbessern. Was auf individueller Ebene gilt, ist auch für Vereine so etwas wie ein Grundprinzip. Allerdings ein sehr theoretisches, wie wir in der Praxis immer wieder sehen. Im Fußball stehen Anspruch und Wirklichkeit oft im Widerspruch. Jeder kennt das aus seinem eigenen Leben: Man möchte vielleicht das eine oder andere Kilo loswerden (= Anspruch), bringt aber nicht die Konsequenz und Kontinuität auf, neue Gewohnheiten zu etablieren (= Fasten oder ins Fitnessstudio gehen oder eine neue Ernährungsform etablieren). Was bei Flavia letzte Woche passiert ist, passiert täglich in verschiedenen sozialen Kontexten - unterschiedliche Vorstellungen, Bedürfnisse und Emotionen treffen aufeinander. Frustration entlädt sich unkontrolliert. 

Konkreter Fall Flavia Solva

Flavia Solva macht seit Jahren keinen Hehl daraus, aufsteigen zu wollen. Derzeit befindet sich der Verein in der Unterliga (6. Klasse) und strebt den Aufstieg in die Landesliga (= 4. Liga) an. Das ist natürlich ein enormer Sprung - von den Strukturen und den Ressourcen her. Eines scheint auch klar - die Strukturen und Ressourcen, die den Verein von der letzten Liga in die 6. Liga gebracht haben, scheinen nicht geeignet zu sein, noch höhere Ligen zu erklimmen. Das führt natürlich zu Spannungen auf verschiedenen Ebenen: Fans, Verein, Trainer, Funktionäre, Spieler - es ist ein Konglomerat unterschiedlichster Vorstellungen, bestimmte Ziele zu erreichen. Und jetzt kommt der Knackpunkt - nicht nur die Vorstellungen über die Wege zur Zielerreichung gehen auseinander, sondern auch die Ziele selbst. Genau hier muss die Kommunikation ansetzen, egal ob im Verein, in der Partnerschaft oder am Arbeitsplatz. Das Zauberwort heißt Einigkeit und Klarheit - so wie es im Wappen der Flavianer steht: Ubi concordia - Ubi Victoria (= Einigkeit bringt Siege).

Kommunikation der Klarheit

Wenn es in einer Partnerschaft nicht klappt, fehlt es meist an Klarheit über die gemeinsamen Ziele. Das ist im Vereinsleben nicht anders. Wenn die Ziele meines Partners nicht mehr mit meinen Zielen vereinbar sind, kommt es früher oder später zur Trennung. Alles dazwischen ist Theater. Verstehen Sie mich nicht falsch - ich sage nicht, dass mein Ziel über das Ziel des anderen gestellt werden soll. Aber sie sind nicht miteinander vereinbar. Meine Partnerin will vielleicht, dass alles so bleibt, wie es ist, ich aber will um die Welt reisen und neue Impulse erleben. Unvereinbar. Keiner von uns hat mehr Recht, keiner hat ein “besseres” Ziel. 

Die Vereine haben nun die Mammutaufgabe, diese Zielklarheit und die Klarheit über die einzusetzenden Mittel nach innen und außen zu kommunizieren. Die Fans müssen wissen, was sie erwartet und was getan wird, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Spieler und Funktionäre müssen wissen, was die Ziele sind und einen Plan haben, der sie diesem Ziel näher bringt. Und zwar kontinuierlich.

Theater ist menschlich

Das klingt alles einfach, aber wir haben den menschlichen Faktor ein wenig außer Acht gelassen. Wenn ich meiner Partnerin sage, dass sich mein Lebenskonzept von ihrem entfernt hat, wird sie das in den seltensten Fällen wohlwollend zur Kenntnis nehmen und der Trennung zustimmen. Viel eher wird es zu einem “Rosenkrieg” aufgrund verletzter Eitelkeiten kommen. Ein menschliches Drama - manche sagen Tragödie - beginnt. 

Im Vereinsleben hat man es mit Hunderten von Menschen und Persönlichkeiten zu tun, die alle unterschiedliche Vorstellungen vom Leben haben. Diese einigermaßen unter einen “Hut” zu bringen, ist die Kunst. Die Lösung habe ich oben schon genannt - Klarheit und Kante. Wer nicht zu den gesteckten Zielen passt, sollte sich überlegen, ob er noch ins Konzept passt. Vielleicht passt ein anderer Verein viel besser zu den eigenen Vorstellungen. Gleichzeitig müssen sich anbahnende Konflikte viel früher erkannt und “bearbeitet” werden, damit es nicht zu einer Eskalation kommt, wie wir sie in den letzten Tagen in meinem Herzensverein erlebt haben. 

Letztlich ist aber genau diese Menschlichkeit das Salz in der sportlichen Suppe. Richtig eingesetzt, können sie für massive Weiterentwicklungen sorgen.

 

Foto: Laura Mazurek

Sichere dir bis zu 100€ als Freiwette und wette auf deine Lieblingssportarten.