Allzeitgröße Nina Aigner: „Bin überzeugt, dass das ÖFB-Team die EM-Qualifikation schafft“

Mit 14 Jahren holte sich die Innviertlerin aus Antiesenhofen als bisher jüngste Siegerin bei den O.Ö. Tennis-Landesmeisterschaften den Titel, in der Juniorinnen-Team-WM schaffte sie den dritten Rang, ehe sie eine Schulterverletzung zu einem „Ballwechsel“ zwang und sie zum Frauenfußball "abbiegen" ließ. Mit goßem Erfolg, davon zeugen drei österreichische Meistertitel mit Union Kleinmünchen und USC Landhaus (1999-2001), der Titel der Torschützenkönigin 2000, 40 ÖFB-A-Länderspiele mit elf Toren und erfolgreiche Legionärin beim FC Bayern München von 2001-2011. Obwohl die Torjägerin ihre Laufbahn bei den Münchnerinnen 2011 nach 176 Spielen und 107 Toren beendete, ist die Oberösterreicherin noch immer unerreicht als erfolgreichste Torschützin der FC Bayern München-Frauen. In der ewigen Bestenliste der Top-Scorerinnen nimmt die „Jubilarin“ noch immer Rang 15 ein. Vom Strafraum stürmte die Ausnahme-Fußballerin quasi nach ihrem Karriereende 2011 als Mitarbeiterin in den „Newsroom“ des FC Bayern München. Am morgigen Samstag feiert die ehemalige „Knipserin“  ihren „runden“ Geburtstag. Anlass für Ligaportal, die Ex-ÖFB-Teamkapitänin um ein Statement zu ihren beiden Karrieren, das „Bayern-Faible" der (Ober)-Österreicherinnen und zur Entwicklung im Frauenfußball zu ersuchen.

 

Nina, kannst Du auf eine „Bilderbuch“-Karriere im Frauenfußball zurückblicken?

„Ich würde nicht sagen, dass es eine Bilderbuch-Karriere war. Die Fußballkarriere entstand ja eher aus der Not heraus, da ich verletzungsbedingt mit dem Tennis aufhören musste. Danach ging alles ziemlich schnell und ein Schritt folgte dem Nächsten. Ich hatte auch die entsprechende Unterstützung und Förderung sowohl von meinen Eltern als auch meinen damaligen Trainern“.

Wie lautet Deine generelle Bilanz im Sport, die ja mit Tennis begann?

„Ich blicke sehr positiv auf diesen Lebensabschnitt zurück. In der Tennis-Zeit habe ich sehr viel gelernt, was Eigeninitiative und Selbstständigkeit angeht. Man ist komplett auf sich gestellt und muss für sich Lösungen finden. Der Fußball wiederum hat mich gelehrt, im Team zu arbeiten, denn nur so kann man als Mannschaft erfolgreich sein. Beide Sportarten haben mich daher sehr geprägt und dafür bin ich dankbar. Generell lernt man im Sport vor allem mit den negativen Erlebnissen wie Niederlagen, Verletzungen oder Enttäuschungen umzugehen. Es geht immer wieder weiter, egal was passiert. Das kann auch im wirklichen Leben sehr hilfreich sein.“

Welche Ereignisse würdest Du als die Höhepunkte in beiden Sparten bezeichnen?

„Höhepunkte sind meist mit Titeln verbunden. Klar blickt man auch auf diese gerne zurück, aber im Nachhinein sind es die eher speziellen Momente, die mir in Erinnerung bleiben und somit meine persönlichen Höhepunkte sind. Wie z.B., dass ich mein allerletztes Tennis-Match gegen Kim Clijsters (Anmerkung: die spätere Nr. eins der Weltrangliste) in Florenz bestreiten durfte und nur knapp im dritten Satz verloren habe, oder dass ich kurz vor meiner Vertragsunterschrift beim FC Bayern an beiden Knien operiert wurde und mein Vater mich zur Vertragsunterschrift tragen musste. Das sind zwei Momente, die mir besonders in Erinnerung geblieben sind“.

Bereitet Dir der knapp verpasste Meistertitel in der denkwürdigen Saison 2008/09 noch immer Ärger?

„Nein, auf keinen Fall. Klar war das zu dieser Zeit eine große Enttäuschung, aber mittlerweile kann ich darüber schmunzeln. Uns hat damals ja nur ein Tor zur Meisterschaft gefehlt, aber wahrscheinlich sind wir damit erstmalig auch als „Zweiter“ in die Geschichte eingegangen"(schmunzelt).

Inwieweit haben sich Verletzungen in Deiner Sportlerinnen-Karriere ausgewirkt?

„Verletzungen gehören zu jeder Sport-Karriere dazu. Ich habe einige Knöchel- und Knieverletzungen hinter mir, die sich erst zum Ende meiner Laufbahn bemerkbar gemacht haben. Eine wirkliche Auswirkung hatte aber „nur“ meine Schulterverletzung, durch die ich meine Tenniszeit beenden musste“.

Hattest Du je Vorbilder im Sport oder Menschen, die ganz besonders Deine Entwicklung geprägt haben?

„Ich bin in einer sportbegeisterten Familie aufgewachsen. Von daher haben natürlich meine Eltern meine Entwicklung am meisten geprägt und gefördert. Sie haben viel Zeit und Arbeit investiert, damit ich meiner Leidenschaft nachgehen konnte. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Auch mein Nationaltrainer Ernst Weber war einer meiner größten Förderer. Er hat mich damals als 19-Jährige ins Nationalteam berufen und war somit auch Wegbereiter für meinen Wechsel zum FC Bayern München“.

ÖFB-Stürmerin Nicole Billa hält derzeit bei 44 Toren für die TSG Hoffenheim, liegt in der laufenden Saison an zweiter Stelle der Torschützinnen-Liste, ist die junge Tirolerin in der Spielanlage mit Dir vergleichbar?

„Da ich den Frauenfußball eher aus der Distanz verfolge, kann ich das leider nicht beurteilen, aber es freut mich, dass eine Österreicherin ganz vorne in der Torschützenliste mit dabei ist und auch so viele „Ösis“ in der deutschen Bundesliga so erfolgreich sind“.

Bayern München holte 2012 den Pokal, wurde 2016 und 2017 Meister, muss sich seither aber mit Rang zwei zufriedengeben, kann der FC in naher Zukunft die Vorherrschaft des VfL Wolfsburg brechen?

„Auf jeden Fall. Ich denke, es wird mal wieder Zeit für einen neuen Meister in der Frauenfußball-Bundesliga. Aber generell ist es doch großartig für den Frauenfußball, dass es jedes Jahr einen engen Titelkampf gibt“.

In der neuen Saison übersiedelt Sarah Zadrazil an die Isar, agiert dann, wenn ich nicht irre, als 16. Österreicherin seit Gerti Stallinger bei Bayern München, was macht diesen Verein so attraktiv für Österreicherinnen?

„Es ist eben der FC Bayern München. Mehr muss man dazu auch nicht sagen. Ich glaube, nahezu jeder, der die Chance hat, zum FC Bayern München zu wechseln, wird diese nutzen. Dass es mittlerweile so viele Österreicherinnen beim FC Bayern gab und gibt, spricht ja für uns Österreicherinnen, aber liegt natürlich auch an der örtlichen Nähe sowie der ähnlichen Mentalität. Die Eingewöhnungszeit ist dementsprechend kurz und somit ist es für beide Seiten eine win-win-Situation“.

 

Verfolgst Du als frühere ÖFB-Teamkapitänin noch das Abschneiden der Nationalmannschaft, traust Du ihr die erfolgreiche EM-Qualifikation zu?

„Natürlich verfolge ich ab und zu die Spiele bzw. informiere mich über die Ergebnisse der Nationalmannschaft. Das Team hat unter Dominik Thalhammer eine enorme Entwicklung genommen und gehört mittlerweile zu den Top-Nationen in Europa. Das hat auch die letzte EM gezeigt, von daher bin ich überzeugt, dass sich dieses junge Team wieder für die EM qualifizieren wird“.

Wie beurteilst Du generell die Entwicklung des Frauenfußballs, verglichen mit Deiner Ära, aufsteigend- oder stagnierend?

„Ich denke, der Frauenfußball hat sich in den vergangenen Jahren stetig weiterentwickelt. Die öffentliche und mediale Aufmerksamkeit ist gestiegen, dennoch habe ich im Moment das Gefühl, dass die Entwicklung etwas stagniert. Der Hype rund um die großen Turniere ist sicher da, danach flacht das Interesse doch meistens wieder ab. Die Herausforderung liegt darin, die Ligen noch attraktiver zu gestalten. Aber als Außenstehende ist das natürlich leichter gesagt…“

Deine persönliche Meinung über die aktuellen Geisterspiele?

„Ich war letztes Wochenende bei einem sogenannten Geisterspiel dabei und natürlich wünschen wir uns alle, dass bald wieder die Normalität einkehrt und vor Zuschauern gespielt werden kann, aber im Moment gibt es hier keine Alternative. Wichtig ist, dass der Ball wieder rollt.“

Kannst Du beruflich Deine Erfahrungen als Aktive einbringen?

„Natürlich ist es als Frau in der Männerdomäne Fußball nicht gerade einfach, von daher ist es schon hilfreich, mit einer gewissen Fußball-Kompetenz ausgestattet und anerkannt zu sein. Auch hilft es mir bei meinem aktuellen Job, dass ich vieles in gewissen Situationen besser nachempfinden kann, weil ich es als Spielerin selbst erlebt habe. Auf jeden Fall, ohne Sport geht gar nichts. Ich fahre viel Mountainbike, Rennrad und habe die Liebe zum Hobbytennis wiederentdeckt, aber mittlerweile kann ich auch zwei, drei Tage ohne Sport verbringen“.

Deine Wünsche für die nächsten Jahrzehnte?

„Einfach, aber immens wichtig: Gesundheit. Ohne Gesundheit ist alles nichts".

Recht herzlichen Dank für das ausführliche Gespräch und: Alles Gute zum Geburtstag!

 

Typisch für die Linksfüßlerin: Ball ganz knapp am Fuß, rasanter Antritt und das Trikot im "Kampf-look": Aigner (2. von links beim Länderspiel Österreich-Griechenland 1:2 in Ottensheim, Foto: privat)

 

Helmut Pichler

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