Wird der Frauenfußball in Oberösterreich ins Out gekickt?

„Der Mensch lebt nicht von der Bundesliga allein“, könnte man in Abwandlung des Bibelzitates sagen, wenn die Rede auf die Entwicklung des Frauenfußballs im „Unterhaus“ in unserem Bundesland kommt. Ein objektiver Beobachter gewinnt dabei den Eindruck, dass die Basis derzeit wankt, wie manche Rückzüge signalisieren. Ligaportal holte dazu die Stellungnahme von Kennern des o.ö. Frauenfußballs und Betroffenen ein. Heute ist Christian Weilguny, Cheftrainer der USV St. Oswald-Frauen, an der Reihe. Weitere Statements werden in den nächsten Tagen folgen.

 

Christian, Ist die Ursache für die Zukunftsangst in Bestrebungen der Großklubs zu sehen?

Christian Weilguny:

„Ja, durch die vor allem aus Vereinen der LT1-O.Ö.-Liga zum LASK wechselnden Spielerinnen verliert die höchste Liga im OÖ-Frauenfußball enorm an Qualität, was deren Attraktivität zumindest in den nächsten Jahren schwächen wird“.

Dazu veröffentlichte das Ligaportal auch bereits die zweiteilige offizielle Stellungnahme des LASK.

Geben sich die „männerdominierten“ Vereine bei einem Frauentransfer zu leicht mit der finanziellen Entschädigung zufrieden ohne Berücksichtigung der Auswirkungen auf das Frauenteam?

„Das ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits sollte man den LASK dazu zwingen, für anderweitig ausgebildete Spielerinnen jetzt sofort Geld in die Hand zu nehmen, andererseits hofft man, dass die eine oder andere Spielerin nach einem oder auch nur einem halben Jahr Leihvertrag zum Stammverein zurückkehrt. Zwangsweise verhindern sollte man einen Transfer meiner Ansicht nach nie, da im Amateursport der Wille der Spielerin immer vor dem Vereinswohl stehen sollte“.

Lassen sich die fußballbegeisterten Mädels von großen Namen blenden und kehren sie aus unrealistischen Karriere-Erwartungen ihrem Stammverein den Rücken?

Ja, das ist definitiv so. Ich bin zwar überzeugt, dass den wechselnden Spielerinnen ein professionelles und qualitativ hochwertiges Training geboten werden wird, aber nach einiger Zeit wird es eine nicht unerhebliche Anzahl an frustrierten Mädchen geben, da diese nur wenig Einsatzzeit erhalten werden. Das kann nur und wird langfristig genauso wie den Burschen in den Akademien ablaufen.
Ich könnte aus meiner Erfahrung als Jugendtrainer da einige Namen nennen, die frustriert aus Akademien retour gekommen sind und in der Folge den Fußballsport dann schon in jungen Jahren ganz aufgegeben haben“.

Ist der OÖFV mit schuldig am Abwärtstrend der kleinen Vereine durch zu große Nachsicht gegenüber den Großklubs?

„Der Sportdirektor des OÖFV, Mag. Koch, hat mir dazu am Telefon erklärt, es gäbe keine Bestimmung, dass ein neues Team eines bestehenden Vereins in der untersten Liga einsteigen müsse, deshalb war der Einstieg des LASK Frauen-Teams gleich in der LT1-OÖ-Liga möglich. Ein anderer Verein mit einem nachhaltigen Konzept hätte diese Möglichkeit auch. Ich habe darüber jetzt noch einmal nachgedacht und bin der Meinung, dass genau die fehlende Bestimmung es verhindern müsste, dass ein neu einsteigendes Team gleich in der dritthöchsten Liga starten darf. 

Das wäre so, wie wenn die Eltern eines 6jährigen gerade schulpflichtig gewordenen Kindes in der Volksschule durchsetzen möchten, dass ihr Kind statt in der 1. Klasse gleich in der 2. Klasse einsteigen darf. Um so etwas zu ermöglichen, müssen meines Erachtens schon im Vorfeld Rechtsnormen geschaffen sein, die die Umstände für die Erlaubnis zu so einer außerordentlichen Vorgangsweise im Detail festlegen. Dies hat der Gesetzgeber im Schulunterrichtsgesetz auch getan, in den Statuten des Fußballverbands fehlt eine solche Bestimmung aber. Deshalb herrscht im gegenständlichen Fall keine Transparenz und bleibt großes Misstrauen gegenüber den entscheidenden Gremien hinsichtlich einer potenziell willkürlich getroffenen Entscheidung“.

Ist es nicht demotivierend für „rückzugswillige, gestandene Frauen-Teams“, wenn sie ZWNGEND in die unterste Spielklasse „verbannt“ werden, während „Einsteiger“ sich eine beliebige Spielklasse „aussuchen“ können?

„Da verweise ich auf meine Überlegungen zur vorherigen Frage“.

Gibt es noch andere Ursachen als die oben skizzierten für den Rückgang an Vereinen, derzeit 37, 2013 waren es noch 54?

„Für mich (noch) nicht so leicht einschätzen, da ich mich noch nicht so lange für den Frauenfußball engagiere. Innerhalb der letzten 1,5 Jahre hat aber sicher auch die Corona-Krise ihren Teil dazu beigetragen".

Wohin geht die Reise, wenn die ehrenamtlichen „Heinzel-frauen/männchen“ in den Unterhausvereinen ihr Engagement im Frauenfußball drastisch zurückschrauben?

„Einfache Antwort: es kommt dann zum Untergang des Frauenfußballs! Der Kick in Frauenfußballzentren ausschließlich bei Bundesligavereinen und in allfälligen Akademien ohne die Möglichkeit eines Einstiegs bei Vereinen in der Nähe der Heimatorte der Spielerinnen ist ganz klar zum Scheitern verurteilt.“

Was möchtest Du abschließend noch deponieren?

„Solange wir Menschen nicht endlich begreifen, dass das Gemeinwohl über der egoistischen Denkweise einzelner stehen sollte und wir neue Normen auch dementsprechend entwickeln und in der Folge umsetzen müssen, wird unsere Gesellschaft weiterhin orientierungslos herumtreiben.

Die in Diskussion stehende Entscheidung des OÖFV ist sicherlich nicht im Sinne der bestehenden Fürsorgepflicht für die Mehrheit seiner Mitgliedsvereine gefallen, sondern scheint im Naheverhältnis des OÖFV zum LASK begründet“.

Vielen Dank für Deine klaren Worte, sie liefern zahlreiche Denkanstöße!

Dr. Helmut Pichler

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